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07.02.2020 - 100 Tage Oberbürgermeister Markus Ibert Und ich habe erst einmal zugehört...

Markus Ibert steht links mit einem blauen Anzug und lächelt in die Kamera. Er hält eine selbstgebastelte Laterne in der Hand, die er Ulrike Karl zeigt. Sie steht links im gestreiften Pulli.
Quelle: Stadt Lahr / Marion Haid
Pressesprecherin Ulrike Karl interviewt Markus Ibert zu seinen ersten 100 Tagen als Oberbürgermeister der Stadt Lahr.

Herr Oberbürgermeister: 100 Tage sind nun vergangen. Wie waren die ersten Tage für Sie persönlich?
Ich frage mich tatsächlich, wo die Zeit geblieben ist. Die 100 ersten Tage als Oberbürgermeister sind wie im Flug vergangen.  Ich habe sehr viele Gespräche geführt, habe viele Ämter und Abteilungen in der Stadtverwaltung besucht, war im Gespräch mit allen Fraktionen und natürlich mit der Bürgerschaft und den Vereinen. Und ich habe erst einmal zugehört. Das war und ist mir sehr wichtig, so kann ich mir ein Bild von der jeweiligen Situation oder dem Problem machen.  Für mich als Oberbürgermeister sind Gemeinderat und die Bürgerinnen und Bürger der Souverän. Ich sehe mich selbst als Chefkoordinator, als Impulsgeber, als Scharnier zwischen der Bürgerschaft, der Stadtverwaltung und Gemeinderat. Hier gilt es abzuwägen: „Viele Dinge, die manche wollen, wollen nicht viele.“ Hier gilt es Prioritäten herauszufinden und Interessen abzuwägen.

Was hat sich für Sie persönlich verändert?
Die zeitliche Inanspruchnahme hat sich verändert,  sicherlich nicht überraschend, und dadurch natürlich auch die Zeit mit der Familie. Wir verbringen die freie Familienzeit sehr intensiv miteinander. Verabredungen mit Freunden oder auch der Besuch eines SC-Spieles mit meinem Sohn muss ich aber nun langfristig planen. Verändert hat sich aber auch mein beruflicher Alltag. Ich habe sehr viele Begegnungen und werde in viele auch persönliche Probleme einbezogen. Das ist schon neu für mich. Neu ist aber auch für  mich, dass ich überall erkannt werde. Kürzlich hat mich ein kleiner Junge beim Joggen abgeklatscht, als ob wir uns schon ewig kennen. Solche Begegnungen sind schon besonders. Erfreut war ich aber auch über besondere Glückwünsche zu meinem Amtsantritt. So hat mir die Kita Schießrain ein tolles Bild gebastelt, das in meinem Dienstzimmer hängt. Auch die persönlichen Glückwünsche der Kita Farbkleckse zu Weihnachten haben mich sehr berührt. 10 Knirpse im Büro als Überraschung, ein toller Moment. Eine Schulklasse der Eichrodtschule hat mir einen Lampion geschenkt. Diese Klasse habe ich mal spontan im Unterricht besucht. Das sind besondere Momente. 

 

Sie waren als Geschäftsführer der StartkLahr sehr eng mit der Stadtverwaltung verbunden. Sie haben eng mit Oberbürgermeister a.D. Müller zusammengearbeitet. Trotzdem ist die StartkLahr ein eigenes Unternehmen mit eigenen Abläufen. Waren Sie überrascht über die Abläufe innerhalb der Stadtverwaltung und über vielen Aufgaben des Oberbürgermeisters?
Nein, das Amt des Oberbürgermeisters ist tatsächlich so, wie ich es erwartet habe. Auch die Abläufe und die Zusammenarbeit innerhalb der Stadtverwaltung sind im Großen und Ganzen so, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich bin innerhalb der Stadtverwaltung von allen Mitarbeitenden und meinen Kollegen in der Verwaltungsspitze sehr gut aufgenommen worden. Es herrscht ein sehr kollegiales Miteinander, das mir sehr hilft. Die Kolleginnen und Kollegen der Stadtverwaltung erledigen ihre Aufgaben, wie bisher, sehr selbständig und kompetent,  sehr viele Dinge sind bereits am Laufen. Auch ohne das direkte Einwirken des OB. Trotzdem sehe ich die Stadt und damit auch die Stadtverwaltung in einem Veränderungsprozess, den es zu gestalten gilt. Ich möchte diese Veränderungen, die auf die Stadtverwaltung zukommen aktiv mitgestalten und die Verwaltung zukunftsfähig aufstellen.

Auch in meinem direkten Umfeld im OB-Büro stehen Änderungen an. Wie angekündigt wird die bisherige Stelle des Wirtschaftsförderers mit geänderter Aufgabenstellung ausgeschrieben. Damit stärke ich die politische Koordinierung, gerade in den wichtigen Zukunftsfeldern wie Gesundheit, Mobilität, Digitalisierung und Klimaschutz.

Dann bleiben wir doch bei den Dingen, bei denen Sie sich einbringen müssen und wollen. Was steht da in der nächsten Zeit so an?
Ich habe vier Themenblöcke definiert, die ich bereits in der Neujahrsrede formuliert habe. Dies sind die Wohnraumversorgung, die Digitalisierung, der Klimaschutz und die Mobilität. Das sind für mich die vier Kisten, die ich geöffnet habe und wo wir in den nächsten Monaten konkrete Ergebnisse erarbeiten und umsetzen. Daneben gibt es viele andere Themen, viele andere Kisten, wie z.B. Kinderbetreuung und Bildung, die bereits intensiv diskutiert werden.  Auch das Thema Lahr in der Region ist mir besonders wichtig. Deshalb habe ich mit vielen Oberbürgermeistern und Bürgermeistern in der Region gesprochen.

Können Sie uns zu den jetzt geöffneten Kisten schon nähere Angaben machen? Was planen Sie im Bereich Wohnraumversorgung?

Die Fachstelle Wohnraumversorgung ist seit dem 01. Januar 2020 besetzt. Zudem plane  ich  einen Wohnungsgipfel. Wir haben in Lahr zwar keine prekäre Situation auf dem Wohnungsmarkt, trotzdem werden mir immer wieder Sorgen Wohnungssuchender und von Obdachlosigkeit bedrohter Menschen vorgetragen. Hinzu kommt, dass ich bei meinen Haustürbesuchen im Wahlkampf festgestellt habe, dass es auch Leerstände gibt. Dies gilt es zusammenzubringen. Ich halte es daher für dringend geboten, die Beteiligten an einen Tisch zu bringen und Lösungsansätze gemeinsam zu erarbeiten.

Das Thema Digitalisierung hat einen großen Stellenwert im Bewusstsein der Menschen. Geht es in diesem Bereich in Lahr auch weiter?  
Das Thema Digitalisierung ist Chefsache in Lahr. Es geht auf der einen Seite um die digitalen Rahmenbedingungen für die weitere Stadtentwicklung. Hier ist beispielsweise  das Thema Breitbandausbau zu nennen. Zum anderen muss die Stadtverwaltung weiter digitalisiert werden.

Bereits unter meinem Vorgänger wurde dafür ein neues Amt in meinem Zuständigkeitsbereich gegründet. Ich habe immer betont, dass ich mit die Datenwege genauso wichtig sind, wie die anderen Verkehrswege. Konkret setzen wir derzeit einen Vorschlag aus dem Stadtgulden um. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir noch im ersten halben Jahr ein offenes Lorawan erhalten werden. Neben diesem „Internet der kleinen Dinge“, ist es aber auch mein Wunsch freies Wlan in der Innenstadt anzubieten. Eine Konzeption dazu wird derzeit erarbeitet und ich werde diese dem Gemeinderat noch im Frühjahr zur Entscheidung vorlegen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir noch im Sommer freies Wlan in der Innenstadt anbieten können.

Gleichzeitig wird ein Digitalisierungskonzept im Jahr 2020 erarbeitet. In diesem werden dann die weiteren Schritte insbesondere für die Digitalisierung von Bürgerdiensten ausgearbeitet und ein Fahrplan festgelegt. Auch die weitere Digitalisierung der Stadtverwaltung wird darin beleuchtet.

Das Thema Digitalisierung ist auch ein Thema der Verwaltungsentwicklung, weil Digitalisierung auch in die Arbeitsabläufe eingreift. Denken Sie an den elektronischen Sitzungsdienst oder an die Besprechungskultur.  Zu diesen Themen möchte ich auch noch eine fachkundige Sicht von außen hinzunehmen.

Wir haben leistungsfähige und engagierte Mitarbeitende, es ist mir ein Anliegen, dass sie auch unter professionellen Bedingungen arbeiten können.

Die Demonstrationen von Fridays for Future haben gezeigt, dass Klimaschutz das Zukunftsthema schlecht hin ist. Was plant die Stadtverwaltung in diesem Bereich in den nächsten Monaten?
Klimaschutz umfasst viele Bereiche, z.B. den Artenschutz, aber auch das Wohnen, die Mobilität und die Digitalisierung. Vieles wurde schon in Angriff genommen. Trotzdem müssen wir die Anstrengungen verstärken. Es handelt sich um ein klassisches Querschnittsthema, was in alle Bereiche spielt. Deshalb war es in der Vergangenheit so schwierig, alle an einen Tisch zu bringen und Ideen auch umzusetzen. Wir haben in Lahr schon vieles in Angriff genommen und wir werden unsere Anstrengungen noch verstärken. Konkret werden wir Maßnahmen vorschlagen, wie wir das Grün in der Stadt noch artenschutzgerechter gestalten können. Die Stadt baut und saniert für viele Millionen städtische Gebäude, energiesparend um. Das Verkehrskonzept, das bis zum Sommer vorliegen wird, sieht viele Maßnahmen zur Stärkung des ÖPNV und des Radverkehrs vor.  Und schließlich läuft im Moment gerade die Rezertifizierung für den European Energy Award an. Nicht zu vergessen: Auch die Umstellung auf die E-Akte und den elektronischen Versand von Sitzungsunterlagen ist ein Beitrag zum Umweltschutz, wenn man sieht wieviel Papier dadurch eingespart werden kann.

Die vierte Kiste heißt Mobilität. Was können wir uns darunter vorstellen?
Ein Verkehrskonzept wird derzeit erarbeitet. Dieses gilt es noch vor der Sommerpause weiterzuentwickeln. Ich möchte mir den ÖPNV näher anschauen. Die Problematik Ortsdurchfahren Kuhbach und Reichenbach müssen näher beleuchtet werden. Nach Abschluss der Bauarbeiten in Reichenbach muss eine Lösung für den LKW-Verkehr gefunden sein. Aber auch dem Verkehrsaufkommen allgemein möchte ich mich annehmen. Zu einer lebenswerten Innenstadt gehören Parkplätze, aber auch verkehrsberuhigte Bereiche, in denen sich Fußgänger aufhalten können. Dies ist ein Spagat, Lösungen sind da nicht einfach und auch nicht schnell herbeizuführen.  Das Thema ist insgesamt sehr facettenreich und es bedarf einen ganzen Strauß an Maßnahmen. Gerade beim ÖPNV müssen auch immer die Tarif- und Verbundstrukturen beachtet und attraktiv gestaltet werden.  Und dann haben wir natürlich noch das Thema Nachtfahrverbot für Lkws auf der B 415 und die neue Kreisstraße zur Umfahrung von Kippenheim. Hier werden wir dran bleiben und weiterhin optimale Lösungen für alle fordern.

Gib es weitere Schwerpunkte über die Sie bereits etwas sagen können?
Ich könnte stundenlang Themen aufzählen, die mir besonders wichtig sind. Vielleicht nur ein paar Stichworte hierzu:

Wir müssen an der Weiterentwicklung unserer Schulen arbeiten. Wir sind ein großer Schulstandort und müssen die aktuellen Entwicklungen gestalten.

Das Thema Kinderbetreuung und die Situation in den Kindertagesstätten brennt uns auf den Nägeln. Die Situation in Lahr ist kritisch. Es fehlen Kinderbetreuungsplätze. Schnelle und gute Lösungen sind hier schwierig, aber erforderlich. 

Die Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandortes Lahr. Mir sind Existenzgründungen ein großes Anliegen. Dies will ich weiter fördern. Es ist aber auch unumgänglich, dass wir weitere Ansiedlungsbereiche ausweisen. Hier möchte ich die Bereiche Rheinstraße Nord/Ostareal, das Zweckverbandsgebiet Nord und das Gewerbegebiet Langenwinkel nennen. Ansiedlungswillige Firmen oder solche, die sich erweitern möchten, müssen in Lahr gehalten werden bzw. für Lahr gewonnen werden.

Hierzu soll ein gesamtstädtisches Flächenkonzept angestoßen und umgesetzt werden.

Das Thema Übernachtungszahlen treibt mich um. Wir leben in der Region Europapark, möchten uns als Tourismusstandort ausbauen. Dafür ist eine Hotelkonzeption erforderlich. Die Bettenzahlen in Lahr sind aus meiner Sicht nicht ausreichend. Auch fehlt es an einem modernen Business- bzw. Tagungshotel. Dieses Thema möchte ich in diesem Jahr noch auf den Weg bringen.

All diese Themen müssen aber vor dem Hintergrund der finanziellen und personellen Situation der Stadtverwaltung angeschaut werden. Es bedarf in allen Bereichen einer Priorisierung aller Ressourcen.

Derzeit steht die Verabschiedung des Haushaltes für das Jahr 2020 auf der Gemeinderatsagenda. Dazu soll es Priorisierungsgespräche mit der gemeinderätlichen Lenkungsgruppe „Haushalt“ geben. Nicht alles wird auch finanzierbar sein. Im Herbst plane ich eine Gemeinderatsklausurtagung. Dort sollen Themen und Leitlinien erarbeitet werden. Wichtig ist es mir, dass es zwischen der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat einen Grundkonsens gibt,  wie die wichtigen Leitthemen angegangen werden sollen.

Viele fragen sich, wie es mit dem Landesgartenschaugelände und vor allem dem See weitergeht. Können Sie uns dazu Näheres berichten?

Innerhalb der Stadtverwaltung wird an einer Gesamtkonzeption für das Gelände und insbesondere den Seepark, gearbeitet. Die derzeitige Nutzung des Seeparks entspricht den Festlegungen im Bebauungsplan. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass die Bevölkerung zusätzliche Angebote wünscht. Wir haben die Erfahrungen aus dem Jahr 2019, sei es aus Sportveranstaltungen oder der Reihe „Seeleben“ oder auch den Aktivitäten des Freundeskreises. Aus diesen Erfahrungen muss ein Gesamtkonzept erstellt werden. Dabei sind die Interessen der Ruhesuchenden ebenso zu berücksichtigen, wie die Belebung des Parks. Es ist mir aber auch wichtig, dass wir Bürgerpark/Seepark/Kleingartenpark als neue Veranstaltungsfläche in die Gesamtkonzeption der Stadt einbinden. Ich wünsche mir eine abgestimmte Nutzung zwischen Innenstadt, Stadtpark, Bürgerpark, Seepark und Kleingartenpark. All diese Orte sollen belebt und entsprechend ihren Stärken genutzt werden. Dies alles muss aber auch finanzielle für die Stadt leistbar bleiben. Es ist aus finanziellen Gründen eben leider nicht möglich, jedes Jahr kostenlos eine kleine Landesgartenschau zu veranstalten.

Der See hat leider im Moment nur einen sehr geringen Wasserstand. Derzeit arbeiten die Gutachter an einer Ursachenforschung für den Wasserverlust. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass auch im Sommer 2020 wieder gebadet werden kann. Derzeit werden noch Schürfarbeiten im und am See durchgeführt, dann wird nach und nach wieder Wasser zugeführt.

Das waren jetzt aber viele Themen, die direkt angegangen werden. Eine Rückfrage habe ich aber doch noch. Wie geht es mit dem Ehrenamtstag weiter?
Das ist mir ein besonderes Anliegen. Ohne das Ehrenamt wäre vieles nicht möglich. Es geht mir um Wertschätzung der Menschen, die sich für das Gemeinwohl engagieren. Der Arbeitsauftrag wurde innerhalb der Stadtverwaltung erteilt. Mir ist es wichtig, dass möglichst viele ehrenamtlich Tätige davon profitieren können. Es geht auf der einen Seite um die Gestaltung des Ehrenamtstages, aber auch um die von mir angekündigten Vergünstigungen. Dies wird gerade ausgearbeitet. Ich hoffe, dass wir noch im Frühjahr hierzu weitere Informationen geben können.

Vielen Dank Herr Oberbürgermeister für das informative Gespräch. Wir wünschen Ihnen viel Kraft für die anstehenden Aufgaben und freuen uns auf die Entwicklung in Lahr.