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15.08.2017 - Stadtverwaltung hautnah Serie: Was macht eigentlich…? - Teil 2: Gottfried Berger vom Lahrer Kulturamt

Seine Theaterbegeisterung begann mit einer Aufführung des Froschkönigs im Landestheater Innsbruck. Damals war Gottfried Berger etwa fünf Jahre alt. „Das hat mich so begeistert, dass ich meine Mutter noch in drei weitere Vorstellungen geschleppt habe“, erinnert er sich. Seit 1999 ist Gottfried Berger Kulturamtsleiter in Lahr. Fragt man ihn, was er an seinem Beruf besonders liebt, sagt er: „Dass ich mich beruflich fragen darf, was ich für die Kultur Gutes tun kann. Das ist ein unglaubliches Privileg, für das ich sehr dankbar bin!“

Wenn Gottfried Berger morgens in sein Büro kommt, schaut er wie viele andere auch zuerst die E-Mail-Eingänge und die Post durch. Das bedeutet, wie er sagt, Prüfen und Beantworten von Programmangeboten, Terminfragen und zu klärenden Details, wie Gebietsschutz oder Einnahmeteilung. „Oft muss ich auch noch schnell eine Kosten- und Einnahmekalkulation machen oder ein Angebot einholen. Auch kommen Fragen von Künstlern und Lahrer Kulturtreibenden herein. Ich bemühe mich, auch darauf möglichst schnell zu reagieren.“

 

Portraitfoto von Gottfried Berger. Er hat braunes Haar und trägt eine rote Brille, außerdem ein weißes hemd mit einer schwarzen Weste.
Gottfried Berger, Leiter des Kulturamts in Lahr

Und was gehört noch alles zu seinem Aufgabenbereich? „Alles, was mit der Kultur in dieser Stadt zu tun hat. Natürlich muss ich da Schwerpunkte setzen. Dazu zählt das städtische Veranstaltungs- und Kunstprogramm, etliche Kooperationen und zu meiner Gesamtverantwortung auch die Museen und das Stadtarchiv.“

 

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt sei die ständige Weiterentwicklung der kulturellen Infrastruktur, erklärt er weiter und setzt sich in diesem Zusammenhang mit Fragen wie diesen auseinander: Was hat Lahr kulturell bereits zu bieten und was fehlt noch dringend? Litfaß-Säulen für die Veranstaltungswerbung der Lahrer Kulturtreibenden? Wie können die Lahrer Künstlerinnen und Künstler gefördert werden? Hat Lahr einen brauchbaren Veranstaltungskalender, eine gute Spielstätte für Theater und Konzerte? Eine zeitgemäße Kunstgalerie und adäquate Präsentation der städtischen Skulpturensammlung? Wie erhalten wir das Kleinkunstangebot in Lahr? Und so weiter. „Die kulturelle Infrastruktur ist ein riesiges Arbeitsfeld“, sagt Berger. „Dazu kommt noch die Verantwortung für die Kunst im öffentlichen Raum, ein Bereich, der ebenfalls viel Zeit kostet und, nebenbei gesagt, auch jede Menge Nerven.“ Für Kunst im öffentlichen Raum verantwortlich zu sein, so Berger, das sei etwa so, als würde man sein Baby im Kinderwagen abends mitten auf eine belebte Kreuzung schieben, dann heimgehen und hoffen, dass nichts passiert.

 

Und wie wählt er die Stücke aus, welche die Lahrer am Ende sehen und hören dürfen? „Über die Jahre habe ich festgestellt, dass ein hilfreiches Auswahlkriterium das ist, meiner eigenen Begeisterung, meinem eigenen Interesse für ein Theaterstück oder ein Konzert zu folgen.“ Das würde oft helfen aber nicht immer, weiß er inzwischen und er weiß auch, dass er sich in Zweifelsfällen, wenn er mal unsicher ist, auch auf sein Team verlassen kann. Die Urteile seiner Mitarbeiter ergäben, weil alle so verschieden seien, ein Perspektivenpanorama, das manchmal sehr hilfreich sei. „Wenn beispielsweise alle reihum gähnen, dann weiß ich, dass ich von dieser oder jener Veranstaltung besser die Finger lasse“, sagt er. Trotzdem braucht ein solches Kulturprogramm eine Handschrift, einen Stil. Und da scheint Bergers eigene Begeisterung für bestimmte Veranstaltungen jedenfalls nicht der schlechteste Maßstab zu sein. „Letztlich, wenn’s dann gut geht, ist aber immer noch eine Portion Glück mit im Spiel“, meint er. Auf sein Mitarbeiterteam, das dabei auch eine wichtige Rolle spielt, ist Berger sehr stolz. „Die Arbeit des Kulturamts würde nicht so gut gelingen, wenn ich nicht ein so tolles Team hätte. Ich weiß das in jeder Minute und bin dafür außerordentlich dankbar! 

 

Was Berger als eher schwierig bei seiner Arbeit empfindet ist, dass man sehr viel Geduld braucht, ohne in den Kraftanstrengungen und den vielen erfolglosen Anläufen auch nur im Ansatz nachzulassen, wie er sagt. „Die wichtigen, großen Schritte, so wie jetzt das neue Museum Tonofenfabrik, brauchen zumeist sehr lange, manchmal Jahrzehnte.“ Schneller geht es dagegen, auch mal Künstlerinnen und Künstler nach Lahr zu holen, die man aus Film und Fernsehen kennt. Das hat Berger schon häufig geschafft: In Lahr standen schon bekannte Leute wie Hardy Krüger jr. oder Michaela May, Michael Roll und Ingo Naujoks auf der Bühne. Und die sind unkomplizierter als man glaubt. „Gerade bekannte Schauspieler sind zumeist besonders nett“, erzählt Berger, „die haben es einfach nicht mehr nötig, den Star zu spielen und Anderen damit auf die Nerven zu gehen.“ Es sei nicht kompliziert diese Künstler zu engagieren, vor allem dann nicht, wenn sie vorher schon einmal in Lahr waren. „Das Lahrer Kulturamt behandelt Künstler immer besonders gut. Da tun wir wirklich viel  -  vom freundlichen Empfang bis zum Bio-Obst in der Garderobe. Künstler sind Menschen, die in ihrer Arbeit ihr Innerstes nach außen kehren und uns an diesem Prozess teilhaben lassen. Das muss man entsprechend honorieren, insbesondere durch eine besonders freundliche und respektvolle Behandlung“, so der Kulturamtsleiter. Kompliziert sei es nur manchmal organisatorisch, weil man von der geografischen Tourneeführung abhängig sei. „Wenn ich ein bestimmtes Theaterstück dringend in der ersten Oktoberhälfte in Lahr zeigen möchte, das Ensemble da aber in Norddeutschland unterwegs ist, dann klappt dieser Plan nicht und ich fange von vorne an.“   

 

Rückmeldungen vom Publikum sind Gottfried Berger wichtig und da macht er keinen Unterschied zwischen positiven und kritischen. „Weil ich von beiden lernen und etwas über das wundersame Wesen Publikum erfahren kann“, erklärt er, „Ich habe beispielsweise durch eine sehr ernst gemeinte Kritik einer älteren Abonnentin, als Kündigungsgrund, viel dazu gelernt: Sie sagte zu mir: ‚Herr Berger, ich kündige mein Abo! Im neue Programm isch nix mehr drin wo mer kennt.‘ Da habe ich verstanden, wie wichtig vor allem älteren Menschen Konstanten sind. Bekanntes scheint da so etwas wie Wärme zu bedeuten, wie eine gute Erinnerung oder ein gefahrfreier Raum. Ich kann das durchaus verstehen. Auch das ist eine Realität unserer Arbeit.“

 

Gottfried Berger ist schon lange im „Geschäft“, so lange, dass ihm inzwischen Schwankungen in der Besucherresonanz nur noch selten Angst machen. „Ich bin damit etwas gelassener geworden und habe nicht mehr diese ganz große Sorge, dass vielleicht zu einer bestimmten Veranstaltung zu wenig Publikum kommen könnte.“ Dabei habe ihm im Lauf der Jahre die Einsicht geholfen, dass dieses Risiko zu seinen Aufgaben gehört. „Das muss man eben aushalten. Auch wenn dann wirklich mal etwas schief gehen sollte.“

 

Nach Trends gefragt, sagt Berger, dass gegenwärtig immer mehr Theaterstücke angeboten würden, die nicht als solche geschrieben wurden, sondern als Romane oder Filme und die man erst später für die Bühne dramatisiert hat. „Dadurch gibt es immer seltener originale  Theaterstücke, die ich buchen könnte. Ich bedaure das sehr. Es liegt aber wohl daran, dass die Theaterproduzenten nicht immer nur Shakespeare, Schiller und Tschechow inszenieren und anbieten wollen, es aber gleichzeitig offenbar nicht genügend gute neue Theaterstücke gibt. Ein Dilemma.“

 

Und welche Voraussetzungen müsste jemand nach Bergers Ansicht mitbringen, der in diesen Job einsteigen will? „Was man vielleicht haben sollte, als Kernfähigkeit der kommunalen Kulturarbeit, das ist, über den Profilierungswillen für das eigene Programm hinaus, über den für die eigene Person möglichst auch, noch viel Kraft und Arbeitsfreude übrig zu haben, um sich für die kulturelle Förderung Anderer und der Stadt insgesamt einzusetzen“. Das Zweite sei, dass man sich möglichst auf beiden Seiten etwas auskennen sollte: Man sollte sich in die Bedürfnisse und Erwartungen seines Publikums hineinversetzen können. Genauso aber sollte man ein Gespür dafür haben, was beispielsweise in Schauspielern vorgeht, die von der Autobahn kommen, einen Theaterabend vor sich haben, müde und angespannt sind und gerne freundlich und auch sonst angemessen empfangen würden.