31.08.2016 - Integration mit 28 Tandems aus aller Welt in Lahr
Das Projekt "Lahrer Integrationstandem" lädt interessierte Einheimische und heimisch gewordene Migranten zu einer besonderen Art des bürgerschaftlichen Engagements ein. Ziel ist die sprachliche Hilfe auf Zeit für neu zugewanderte Erwachsene aus aller Welt - von wöchentlichen Gesprächskontakten zum Einleben, der kursbegleitenden Unterstützung beim Sprachenlernen bis hin zu Hilfen beim Lesen und Verfassen von Texten und der Begleitung zu Ämtern.
Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte bekommen hier konkrete und individuelle Unterstützung von Ehrenamtlichen bei der Integration in die Gesellschaft. Die Tandems treffen sich in der Regel einmal in der Woche für eine Stunde. Zurzeit gibt es 28 aktive Tandems. Die Tandempartner kommen aus der ganzen Welt: Afghanistan, Brasilien, Griechenland, Irak, Syrien, Türkei, Russland, Ukraine, Lettland, Polen, Kirgisistan, Nigeria, Togo, Italien und Spanien. Derzeit ist die Nachfrage nach Integrationsbegleitern sehr hoch. Es gibt bereits eine Warteliste.
Elisabeth Velte und Nancy Akpoyibo, eines der 28 aktiven Tandems, treffen sich seit Mai dieses Jahres immer dienstags im Begegnungshaus am Urteilsplatz. „Als letztes Jahr so viele Flüchtlinge nach Lahr gekommen sind, wollte ich mich einbringen. Mich hat bewegt, was die Personen auf sich nehmen müssen, die sich auf den Weg hierher machen“ so Elisabeth Velte.
Sie hat sich nach einem passenden Projekt umgeschaut und ist durch
Informationen des Freundeskreises für Flüchtlinge Lahr auf das Projekt „Lahrer Integrationstandem“ aufmerksam geworden. In der gemeinsamen Stunde geht es Elisabeth Velte und Nancy Akpoyibo nicht nur um das Deutschlernen. Neben Gesprächen über Alltägliches, üben die beiden einen Anruf beim Arzt oder tauschen sich über das Kochen von deutschen und nigerianischen
Gerichten aus. Hin und wieder gehen Elisabeth Velte und Nancy Akpoyibo gemeinsam über den Lahrer Wochenmarkt. Dabei lernt Nancy Akpoyibo die deutschen Begriffe der angebotenen Waren und probiert Lebensmittel, die sie nicht kennt. Beim letzten Besuch wurden Radieschen probiert, die laut Nancy Akpoyibo aber nicht besonders geschmeckt haben.
Nancy Akpoyibo ist 27 Jahre alt, kommt aus Nigeria und ist seit zwei Jahren in Deutschland. Sie wohnt mit ihrem Lebensgefährten und ihrer acht Monate alten Tochter Annet, die in Deutschland zu Welt kam, in einer Lahrer Gemeinschaftsunterkunft. Im Augenblick sucht Nancy Akpoyibo eine Wohnung für sich und ihre Familie und auch dabei unterstützt sie Elisabeth Velte. Auf die Frage, was ein Wohnberechtigungsschein ist und wo dieser zu bekommen ist, hilft Projektkoordinatorin Nadezhda Derevanko weiter, die mit solchen Fragen schon Erfahrung hat.
Vor zehn Jahren hat sie selbst als Neuzugewanderte an dem Projekt teilgenommen und bis heute hat sie eine enge Beziehung zu ihrer damaligen Integrationsbegleiterin Dr. Gudrun Gurath. Nadezhda Derevanko berichtet: „Das war für mich ein Glücksfall, dass ich Frau Dr. Gurath getroffen habe. Ich finde jeder soll die Möglichkeit zur Integration haben“. Mittlerweile koordiniert Nadezhda Derevanko das Projekt „Lahrer Integrationstandem“ seit sechs Jahren und vermittelt engagiert passende Tandempartner.
Ein weiteres Tandem, bestehend aus Mathias Bandle und Ibrahim
Jalali, trifft sich seit vier Wochen immer freitagnachmittags im
Bürgerzentrum Treffpunkt Stadtmühle. Ibrahim Jalali kommt aus dem Iran, ist 43 Jahre alt und wohnt mit seiner Frau und seinen drei Kindern ebenfalls in einer Lahrer Gemeinschaftsunterkunft. In seinem Heimatland hat er den Beruf des Elektronikers gelernt und besaß ein eigenes Geschäft. Obwohl Ibrahim Jalali bisher wenig Deutsch spricht, verlaufen die gemeinsamen Treffen sehr lebendig.
Die beiden Tandempartner lernen viel mit- und voneinander. Ibrahim Jalali lernt viel über die deutsche Kultur und Mathias Bandle über das Land, aus dem Ibrahim Jalali geflüchtet ist. Ibrahim Jalali lernt gerne, ist wissbegierig und interessiert sich für verschiedene Themen, besonders für Geschichte. „Ich habe schon viel von Herrn Bandle gelernt“ so der lebensfreudige Iraner. „Man sieht die vielen Fortschritte, die Ibrahim Jalali macht“, berichtet Mathias Bandle. Fast immer dauern die Treffen länger als eine Stunde und enden mit den Öffnungszeiten des Bürgerzentrums. Darüber hinaus betreut Mathias Bandle einen zweiten Tandempartner und berichtet stolz, dass dieser neulich die
Sprachprüfung auf Niveau B1 des Europäischen Referenzrahmens bestanden hat. „Das Projekt ist eine gute Sache und es macht Spaß zu sehen, wie die Menschen an Sprachkompetenz und Selbstsicherheit gewinnen“ schließt Mathias Bandle.
Das Mehrgenerationenhaus Lahr begleitet das Projekt und bietet
den Integrationsbegleitern Einführungsgespräche, regelmäßige Treffen mit anderen Freiwilligen zum Austausch und zur Reflexion
sowie die kostenlose Teilnahme an Qualifizierungen an. Für die Treffen mit den Tandempartnern wird bei Bedarf auch Schulungsmaterial für den Deutscherwerb zur Verfügung gestellt.
Wer sich für eine ehrenamtliche Mitarbeit im Projekt interessiert oder selbst den Wunsch nach einer solchen Unterstützung hat, kann sich immer montags von 09:00 bis 12:00 Uhr unverbindlich beim Mehrgenerationenhaus Lahr – Begegnungshaus am Urteilsplatz, Friedrichstr. 7 informieren. Nähere Informationen zum Projekt gibt während dieser Sprechzeiten auch Projekt-Koordinatorin Nadezhda Derevanko, Telefon: 07821 / 3271144, E-Mail: nadezhda.derevanko@lahr.de