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21.10.2020 - Gemeinderatsklausur zu den Themen Mobilität, Bildung und Soziales, Wohnen, Digitalisierung, Energie und Klima Vision Lahr 2030

Das Foto zeigt ein buntes Plakat. Darauf sind die Visionen der Gemeinderatsklausur textlich erfasst. Außerdem sind darauf viele kleine Zeichnungen zu sehen.
Plakat Gemeinderatsklausur
Der Gemeinderat der Stadt Lahr hat sich in einer Klausur mit der „Vision Lahr 2030“ befasst und in den fünf Themenbereichen Mobilität, Wohnen, Digitalisierung, Energie und Klima sowie Bildung und Soziales weitere Weichen für die Arbeit der nächsten zehn Jahre gestellt.

Die Gemeinderatsklausur fand am Freitag, 16. und Samstag, 17. Oktober 2020 in der Mehrzweckhalle im Bürgerpark statt.

Wenngleich der Gemeinderatsklausur aufgrund der CORONA-bedingten Einschränkungen die wichtige Ebene des informellen Austauschs fehlte, so konnte man doch in Schlüsselbereichen Konsens erreichen und sich in ausgewählten Themenschwerpunkten außerhalb von Beschlussvorlagen und dem Tagesgeschehen mit den längerfristigen Zielsetzungen der Stadt befassen.

Oberbürgermeister Markus Ibert gab der Klausur das Leitwort: „Zukunft ist nichts, was bloß vom Himmel fällt. Nichts, das einfach nur so passiert. Sie ist in vielen Teilen das Ergebnis unserer Entscheidungen. [...] Denn auch wenn wir gar nichts verändern, ändert sich viel – nur nicht zum Guten.“ (Zitat Prof. Dr. Maja Göpel, Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen)

Umso wichtiger ist es, sich ohne Entscheidungsdruck formaler Sitzungen mit den Leitplanken und Schwerpunkten der städtischen Entwicklung zu befassen.

Ende September hatte Oberbürgermeister Markus Ibert mit der Stadtkämmerei in einer Sondersitzung der erweiterten Haushaltsstrukturkommission den Gemeinderat über die aktuelle Haushaltslage und erwartete Finanzentwicklung bis 2023 informiert. Hinsichtlich der Haushaltsentwicklung hat der Oberbürgermeister die Gemeinderatsklausur unter das Motto gestellt: „Je unsicherer die Finanzen, desto besser müssen die Ziele definiert und Projekte vorbereitet werden.“

Eingeleitet wurde die Klausur nach einem Eröffnungsgespräch zu den Erwartungen des Oberbürgermeisters und der Teilnehmer durch einen Impulsvortrag von Dr. Alanus von Radecki zum Thema „Die vier Säulen einer zukunftsfähigen Stadt“. Anhand von Beispielen aus kleineren, mittelgroßen und größeren Städten stellte der Vortragende Möglichkeiten und Herausforderungen dar, mit denen sich Kommunen auseinandersetzen müssen, um sich als lebenswerte, resiliente, umweltgerechte und innovative Städte aufzustellen.

In Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit von Lahr wurden im Vorfeld der Klausur durch die Stadtverwaltung fünf mit den Fraktionen abgestimmte Themenkomplexe vorbereitet: Mobilität, Bildung und Soziales, Wohnen, Digitalisierung, Energie und Klima.

Im Wechsel haben die thematischen Arbeitsgruppen und das Plenum sich nach einem einheitlichen Aufbau mit den Themen befasst.

So wurden jeweils zunächst eine gemeinsame Vision und die dafür notwendigen Handlungsfelder bestimmt, bevor man schlussendlich in jedem Themenbereich die gewünschten Programmpunkte bis 2030 definiert hat.

Das so erarbeitete Aktionsprogramm wurde nach einem doppelten Ampelsystem für die Wirksamkeit und Finanzierbarkeit gewichtet. Dies erfolgte auf hoher Flughöhe und zielte trotzdem gleichzeitig auf konkrete Handlungsrelevanz ab.

Auswahlweise hat der Gemeinderat aus den so entstandenen Maßnahmenprogrammen Themenhighlights ausgewählt. Dies erfolgte in einem strukturierten Austausch und Votingverfahren und setzt den Grundstein für die weitere Befassung. Zur Ermittlung des Meinungsbildes im Plenum kam unterstützend auch die App SLIDO zum Einsatz. Auf einfache Art und Weise konnte jede Stadträtin und jeder Stadtrat nicht nur seine Zustimmung oder Ablehnung, sondern zusätzlich auch weitere Anregungen kundtun, die in Echtzeit ausgewertet wurden.

Referenzprojekte aus den Themen sind:

Mobilität

  • Ausweitung der ÖPNV-Taktung: Hier ging es den Teilnehmenden einerseits um die zeitliche Ausweitung, andererseits aber auch um eine vernetzte regionale Anbindung.
  • Bündelung der Lieferverkehre: Große Befürwortung fand das Thema Citylogistik. Ziel ist es, bei Beibehaltung der Lieferqualität zur Entlastung der (Innen-)Stadt ein Konzept zu entwickeln, um die  Vielzahl der Lieferdienste zu bündeln. 
  • Radverkehr: Die Arbeitsgruppe hat bei der Diskussion zum Radverkehr vor allem den Radvorrangrouten Ost-West und Nord-Süd Priorität eingeräumt. Als wichtig und baldmöglich umsetzbar wurden die Ausweitung der Pedelec-Stationen auf die Stadtteile sowie das Einrichten geeigneter Radwegparkplätze in der Innenstadt gesehen.
  • Temporär PKW-freier Urteilsplatz: Dieses für die Innenstadtentwicklung wichtige Thema wurde mit großer Kompromissbereitschaft diskutiert. Es soll an einer Lösung gearbeitet werden, die den Urteilsplatz zumindest teilweise vom  PKW-Verkehr befreit.

Bildung und Soziales

  • Die Kitas und Schulen werden bedarfsdeckend ausgebaut und pädagogisch sowie baulich weiterentwickelt, es entstehen in den Kitas und Grundschulen stärkere Profilbildungen (z. B. Musik, Ernährung und Bewegung).
  • Als Pilotprojekt soll auf dem Areal der Dammenmühle eine Sport-Kita in enger Kooperation mit den umliegenden Vereinen realisiert (multifunktionale Nutzung von Räumen) werden.
  • Das Postareal wird als Leuchtturmprojekt zur Innenstadtentwicklung projektiert und soll den Bürgerinnen und Bürgern als Dritter Ort u. a. mit Mediathek und VHS zur Verfügung stehen, ebenso wird das Schlachthofgelände als Treffpunkt für Familien und Jugendliche ausgebaut.
  • Bei beiden Orten finden sich die Querschnittsthemen Digitalisierung, Innenstadtstärkung, Verwaltungsmodernisierung, niederschwellige Räume für Bürgerinnen und Bürger sowie beim Postareal Bauen in die Höhe wieder.
  • Daneben konnten viele kostenneutrale Maßnahmen identifiziert werden, wie z. B. die Einführung eines Kinderparlamentes, die Erstellung eines Sozialberichtes und -plans oder eine verstärkte Quartiersarbeit.

Wohnen

  • Gesamtstrategie Wohnen: Zahlreiche wirkungsvolle Maßnahmen sind in Arbeit und werden umgesetzt, aber es fehlt der Gesamtüberblick bei den politischen Einzelentscheidungen.
  • Das integrierte Stadtentwicklungskonzept ISEK wird nach Analyse des Standes der Stadt Handlungs- und Entwicklungsschwerpunkte als Leitlinie für die Stadtentwicklung des nächsten Jahrzehnts definieren. In den Zieldiskussionen ist die Haltung zum Thema Wachstum zu klären – wo, in welcher Form und mit welchen Prioritäten?
  • Konzept zur Bodenbevorratung: Bodenpolitik mit Bezug zur angestrebten Baulandentwicklung. Städtisches Eigentum als Schlüssel zum Erfolg, Budget für Bodenbevorratung, Vorkaufsrechte stärker nutzen, vermehrt Vergabe im Erbbaurecht und Veräußerung gezielter vornehmen.
  • Qualitätssicherung: Projektbezogen sind die Bau- und Wohnqualitäten zu definieren und zu sichern. Gebaute Umwelt bestimmt über Jahrzehnte das Wohlbefinden. Dazu soll es vermehrt Konzeptvergaben geben. Nachhaltigkeitsgesichtspunkte wie Energieeffizienz, aber auch Klimaanpassung sind stärker zu gewichten.
  • Aktualisierung der Ortsentwicklungspläne: Stärkung der Ortsmitten und Nutzung der dort vorhandenen Potenziale für die Eigenentwicklung

Digitalisierung

  • Erarbeitung einer umfassenden Digitalisierungsstrategie sowie die Einrichtung einer fachübergreifenden Lenkungsgruppe "Digitalisierung" als Basis und Leitlinie für den digitalen Wandel  in Lahr (Digitale Stadtverwaltung, Digitale Stadt)
  • Ausbau und Erweiterung der Breitbandinfrastruktur  (Flächendeckung bis 80 % ) auf der Basis von Glasfaser- und Funktechnologie
  • Entwicklung einer einheitlichen Stadt Lahr App mit umfassenden Funktionalitäten aus den Bereichen Mobilität, Tourismus, Umwelt, Kultur und Soziales
  • Implementierung eines Innovatorenprogramms in der Verwaltung sowie die Etablierung von sogenannten "Enablern"

Energie und Klima

  • Ansiedlung innovativer Unternehmen mit den Schwerpunkten Energie (z. B. Wasserstoff), Umwelt (z. B. Verfahrenstechnik) und Nachhaltigkeit (z. B. Ressourceneffizienz)
  • Entwicklung und Realisierung eines CO2-neutralen Musterquartiers (flächen- und energieeffizient sowie klimagerecht für eine hohe Lebensqualität)
  • Verstärkte Erzeugung erneuerbarer Energien in Lahr (Installation von PV-Anlagen auf kommunalen Gebäudedächern, Unterstützung der Ansiedlung weiterer Windenergieanlagen auf Lahrer Gemarkung)
  • Erarbeitung und Einführung eines Informations- und Förderprogramms zur Begrünung von Dächern und Fassaden und zur Bodenentsiegelung

Hinweis:

Alle Themen bedürfen der konkreten Ausarbeitung, Beratung und Beschlussfassung im Gemeinderat. In einem ersten Schritt erfolgt nun eine Prüfung durch die Stadtverwaltung, welche Maßnahmen bereits 2021 in die Haushaltsberatungen einfließen sollen.

Es ist vorgesehen, künftig jährlich ein bis zwei Fachkonferenzen zu Einzelthemen durchzuführen. Diese dienen sowohl der Vertiefung bereits bestehender Planungen als auch der Aufarbeitung neuer Konzeptionen.

Für die Jahre 2021 und 2022  sind zu folgenden Themen Fachkonferenzen angedacht:

  • Innenstadtentwicklung
  • Wirtschaftsstandort
  • Kultur

Oberbürgermeister Markus Ibert zeigt sich sehr zufrieden, dass die bereits beim Neujahrsempfang angekündigte Klausur trotz der durch CORONA erschwerten Arbeitsbedingungen durchgeführt werden konnte: „Wir haben auf der Klausur wichtige Erkenntnisse gewonnen, welche Schwerpunkte der Gemeinderat in den jeweiligen Themenfeldern setzen möchte. Für die Stadtverwaltung ist das grundlegend für die Priorisierung der Planungen. Es sind keine Entscheidungen gefallen. Das war auch nicht vorgesehen – alles kommt ins Gremium. Ein weiterer Wert der Gemeinderatsklausur 2020 liegt in der stärkeren Vernetzung von Gemeinderat und Verwaltung auf Arbeitsebene. Die Ergebnisse wurden gemeinsam erarbeitet! Die meistgenannte Empfehlung aus dem Plenum lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Mut. Heute, morgen, übermorgen. Mut des Gemeinderats zum bewusst gewählten offenen Format der Veranstaltung ohne vorher versandte Unterlagen, Mut zur Vision, Mut auch zum Programm, mit dem die Vision Wirklichkeit werden kann. Ich freue mich sehr, dass wir in der Verwaltung nun an die weitere Ausarbeitung gehen können.“

Aufgrund der aktuellen CORONA-Lage im Ortenaukreis wurde die Klausur unter reduzierter Teilnehmerzahl mit etwa 50 Personen durchgeführt. Die Mitglieder des Gemeinderats wurden von Themenpaten aus der Verwaltung fachlich unterstützt. Die so gebildeten Arbeitsgruppen arbeiteten auf der Klausur unter Einhaltung der erforderlichen Abstände an fest zugewiesenen Stationen. Nicht stattfinden konnte das geplante gemeinsame Abendessen, das Catering erfolgte an individuellen Einzeltischen.