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18.06.2020 - Ausstellung in der Villa Jamm im Lahrer Stadtpark Zu Gast bei den Lahrer Wimperfledermäusen

Eine der landesweit größten Wochenstuben der Wimperfledermaus mit etwa 600 Tieren befindet sich auf dem Lahrer Bergfriedhof. Doch kaum jemand bekommt die flinken Jäger richtig zu Gesicht. Die Tiere sind nicht nur ein wichtiger Teil unseres Naturhaushalts, sondern wegen ihrer Sinnesfähigkeiten auch eine wissenschaftliche Besonderheit.

In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz e.V. und dem Landschaftserhaltungsverband Ortenaukreis e.V. hat der Freundeskreis Lahrer Stadtpark eine Ausstellung erarbeitet, die nun in der Villa Jamm im Lahrer Stadtpark zu sehen ist. Sie zeigt welche Bedeutung die kleinen Flugsäuger in unserem Naturhaushalt haben und beleuchtet ihre Lebensweise. Teil der Ausstellung ist auch eine beeindruckende Videodokumentation speziell über die Fledermäuse auf dem Bergfriedhof.

 

Mit wechselnden Ausstellungen zu Themen rund um Natur, Botanik, Gartenkunst und Florsitik möchte der Freundeskreis Lahrer Stadtpark die Villa Jamm auch nach dem Auszug des Museum bespielen. Die Ausstellung ist ab Donnerstag, 18. Juni 2020, jeweils von Donnerstag bis Sonntag von 14:00 bis 17:00 Uhr geöffnet.

 

Mehr als 20 Fledermausarten leben in Südbaden, darunter solche, die kaum anderswo in Deutschland zu finden sind. Einerseits sagen die eher rauen klimatischen Bedingungen des Schwarzwalds, zum Beispiel den Nord- und Zweifarbfledermäusen zu, andererseits bieten die Gunstlagen der Rheinebene eher mediterranen Arten wie der Weißrandfledermaus und der Langflügelfledermaus einen Lebensraum. Eine echte Besonderheit ist aber das Vorkommen der Wimperfledermaus, deren Hauptvorkommen innerhalb der Bundesrepublik in Südbaden liegt. Die größte deutsche Kolonie dieser Art bewohnt seit vielen Jahren den Dachboden der Kapelle auf dem Lahrer Bergfriedhof. 800 Wimperfledermaus-Weibchen kommen jedes Jahr in Lahr zusammen, um in der Zeit von April bis August ihre Jungen aufzuziehen.

 

Pro Fledermausmutter ist es jährlich nur ein einziges Jungtier, das sich so rasant entwickelt, dass es bereits acht Wochen nach der Geburt ausgewachsen ist. Erst dann geht die junge Fledermaus wie seine Mutter nachts auf die Jagd nach Insekten und Spinnen. Bis dahin ist ihre gesamte Entwicklung allein von nahrhafter Muttermilch abhängig. Das ist letztlich der Hauptgrund, warum sich die vielen Fledermäuse am Bergfriedhof sammeln. Denn ohne dass sie tagsüber zusammenrücken und sich gegenseitig wärmen, wäre der energetische Aufwand für einzelne Fledermausmutter kaum zu bewältigen. Überhaupt sind Fledermäuse meisterhafte Energiesparer. Das zeigt sich besonders in den Wintermonaten. Diese verbringen sie mit extrem verlangsamtem Stoffwechsel und abgesenkter Körpertemperatur in tiefer Lethargie in feuchten Kellern, Höhlen und alten Bergwerken. Ein paar Gramm Speicherfett, das sie sich im Herbst angefuttert haben, rettet sie über die Monate ohne verfügbare Insekten. Allerdings halten viele Fledermäuse ihren tiefen Winterschlaf nur, wenn es das Wetter erfordert und jagen auch in lauen Winternächten erfolgreich. So kommt es, dass einige sogar zum Ende des Winters schwerer sind, als zu Beginn. Genauso haushalten vor allem die Männchen auch im Sommer: An kühlen Tagen lassen sie sich im Quartier auskühlen und drosseln so ihren Stoffwechsel extrem. Die trächtigen und säugenden Weibchen können sich das jedoch nicht erlauben. Soziale Thermoregulation in großen Gruppen ist ihre Form des Haushaltens mit knappen Energiereserven.

 

Fledermauskolonien wie die am Lahrer Bergfriedhof können nur da entstehen, wo das Umland genug Futter bereitstellt. Der Aktionsradius der Wimperfledermaus-Kolonie ist, ähnlich wie der der meisten Fledermäuse, einige Kilometer weit. In diesem Radius hat jede Fledermaus ihre individuellen Jagdreviere, die sie jede Nacht aufsucht. Das begrenzt letztlich die Anzahl der Fledermäuse, die in einem Gebiet leben kann. Da die soziale Thermoregulation der Weibchen nur in großen Gruppen funktioniert, kann es ein Fortpflanzungsquartier nur da geben, wo genügend ergiebige Jagdreviere im Umfeld erreichbar sind. Häufig liegen solche Reviere im Wald, aber auch Waldränder, pestizidfreie Obstwiesen und Gärten können für Fledermäuse attraktiv sein. Die Wimperfledermaus hat darüber hinaus offenbar eine besondere Vorliebe für Rinder. Sie nutzt das Angebot an Fliegen, die durch Weidetiere angelockt werden. Und das nicht nur auf der Weide. Wimperfledermäuse fliegen regelmäßig in Kuhställe ein, um schlafende Fliegen von der Unterlage abzupflücken. 

 

Wahrscheinlich haben vor einigen Jahrzehnten auf dem Dachboden am Bergfriedhof auch Hufeisennasen Fledermäuse gelebt, denn sie haben ähnliche Ansprüche und leben daher sehr regelmäßig im selben Quartier wie Wimperfledermäuse. Allerdings ist diese Art in der Mitte des letzten Jahrhunderts in Baden, genauso wie fast überall sonst in Deutschland, ausgestorben. Dabei war die kleine Hufeisennase bis dahin eine der häufigsten Arten Süddeutschlands. Ihr rascher und dramatischer Zusammenbruch war Folge des Einsatzes der Pestizide DDT und Lindan in Land- und Forstwirtschaft sowie in Form von Holzschutzmitteln auf Dachböden. Auch fast alle übrigen Fledermausarten litten stark darunter, Hufeisennasen traf es aber am härtesten. Nach dem Verbot dieser Substanzen im Jahr 1973 dauerte es lange, bis sie allmählich aus den Nahrungsnetzen wieder verschwanden. Weil nun seit einigen Jahren die noch vorhandenen Restvorkommen, beispielsweise im Elsass wieder anwachsen, gibt es durchaus Grund zur Hoffnung, dass Hufeisennasen den Weg zurück nach Lahr finden und bald wieder eine Wohngemeinschaft mit den Wimperfledermäusen bilden.

 

Die Köpfe der verschiedenen Fledermausarten unterscheiden sich beträchtlich. Während manche an Gesichter anderer Tiere erinnern, wie zum Beispiel an Mäuse, darum auch ihr Name, haben andere besondere Strukturen entwickelt. Viele Arten haben Nasenblätter oder andere Gesichtsstrukturen, die zum Aussenden oder Verstärken der Ultraschalllaute dienen. Die Ohren, die bei manchen Arten drastisch vergrößert sind, sind oft mit Rillen oder Furchen versehen, darüber hinaus haben sie einen Tragus, einen Ohrdeckel, der der Verbesserung der Echoortung dient. Fledermäuse können schwarz-weiß sehen, und wie jüngste Untersuchungen festgestellt haben, können einige Arten auch UV-Licht sehen, das von einigen Blüten verstärkt reflektiert wird, die sie dann zur Nektaraufnahme anfliegen. Zusätzlich verfügen Fledermäuse über einen Magnetsinn. Bei Langstreckenflügen orientieren sie sich an den Linien des Erdmagnetfeldes, ähnlich wie Zugvögel und viele andere Tierarten.

 

Weitere Informationen auch auf https://hufeisen.lev-ortenaukreis.de

Hier gehts zu Infos rund um den Lahrer Stadtpark.