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07.10.2019 - Nach eintausendachthundert Jahren erste Inbetriebnahme eines römischen Töpferofens im Vicus in Lahr

Das Bild zeigt den fertig gestellten überdachten Töpferofen auf dem Gartenschaugelände.
Römischer Töpferofen
An diesem Wochenende wurde der Abschluss des experimental-archäologischen Projekts „Bau eines originalgetreu rekonstruierten, römischen Töpferofens im Vicus in Lahr“ mit der ersten Befeuerung des Ofens und einem kleinen Einweihungsfest gefeiert.

„Die in Lahr ausgegrabenen Öfen mit zwei Metern Feuerraum gehören zu den größeren Vertretern der Keramikbrennöfen am südlichen Oberrhein, sie deuten auf ein hochprofessionelles Töpferhandwerk im Vicus in Lahr-Dinglingen“, erklärt Prof. Dr. Alexander Heising, wissenschaftlicher Leiter des Kooperationsprojekts. „Heutzutage wirklich im Experiment funktionierende Töpferofen gibt es nur wenige in Deutschland“, ergänzt er.

„Es war ein tolles Erlebnis, wissenschaftlich zu arbeiten und auch bei der experimentellen Archäologie mitmachen zu können. Unser Ziel ist es nun, eine Töpfergruppe zu gründen und den Ofen mindestens einmal jährlich hochzufahren, um Ware zu brennen“ erklärt Klaus Blawert, Vorsitzender des Arbeitskreises „Gallo-Römisches Leben Lahr-Dinglingen“.

Der Töpferofen dient dazu, wissenschaftliche Daten über den Bau an sich und den späteren Betrieb zu erheben. Dabei wird genau aufgezeichnet, welches Material, wieviel Zeit und welche Bedingungen notwendig sind, um den Ofen zu bauen und zu betreiben. Auch wie lange er hält, soll erprobt werden. Eine Bachelor-Arbeit der Abteilung für Provinzialrömische Archäologie der Albert-Ludwig-Universität in Freiburg dokumentiert den Bau und ersten Betrieb des rekonstruierten römischen Töpferofens. „Die Zusammenarbeit aller beteiligten Institute und des Arbeitskreises „Gallo-Römisches Leben Lahr-Dinglingen“ war außergewöhnlich gut und trug zu einem optimalen Ablauf bei“, ergänzt Frank Wiesenberg, Experimentalarchäologe aus Köln. Darüber hinaus wird der Töpferofen die museumspädagogische Arbeit des Stadtmuseums in Lahr ergänzen.

Nach über zweimonatiger Bauzeit wurde am Donnerstag 03. Oktober 2019, der tonnenschwere Töpferofen mit einem Testbrand bis 700 Grad in Betrieb genommen. Er wurde entsprechend der archäologischen Funde originalgetreu, wenn auch etwas kleiner, nachgebaut

Am Freitag wurden kleine Reparaturen und Nachbesserungen vorgenommen und am Samstag, 05. Oktober 2019, der Ofen das erste Mal mit Töpferware beladen und bis auf 1000 Grad aufgeheizt. Am Sonntag konnte die Ware aus dem abgekühlten Ofen entnommen werden.

Zum Abschluss lud der Arbeitskreis „Gallo-Römisches Leben Lahr-Dinglingen“ zu einem kleinen Ofenfest ein. Interessierte konnten an Kurzführungen im archäobotanischen Garten und im Streifenhaus teilnehmen oder das Entnehmen der Keramik aus dem Töpferofen mitverfolgen und sich beim Mitmach-Angebot im Bürgerzentrum selbst etwas aus Ton herstellen. 

Das Kooperationsprojekt zwischen dem Institut für Provinzialrömische Archäologie der Universität Freiburg, unter wissenschaftlicher Leitung von Prof. Dr. Alexander Heising, und dem Stadtmuseum Lahr mit Projektleitung von Bérénice Jayme, wurde von den ehrenamtlichen Mitgliedern des Arbeitskreises „Gallo-Römisches Leben Lahr-Dinglingen“ und dem Experimentalarchäologen Frank Wiesenberg aus Köln begleitet. 

Typisch für den Lahrer Töpferofen
Der Töpferofen entspricht in Form und Konstruktion den antiken Keramikbrennöfen, die in Lahr ausgegraben wurden. Er ist ein Standardmodell eines römischen Töpferofens am Rhein, von denen Hunderte, wenn nicht Tausende in der Römerzeit im Einsatz waren. Bei diesen runden, schachtartigen, stehenden Öfen waren Feuer- und Brennraum übereinander angeordnet. Befeuert wurden sie von einer Bedienungsgrube. Im Brennraum erreicht die Hitze des Holzfeuers eine Spitzentemperatur von 900 bis 1150 Grad Celsius. Die Qualität und Menge der in Lahr produzierten Keramik deutet auf ein hochprofessionelles Töpferhandwerk, das einigen Familien im Vicus Lahr-Dinglingen als Haupterwerbsquelle diente. Es wurden vor allem Teller, Schüsseln und Kochtöpfe gefertigt, die sogenannte Lahrer Ware. Sie eignet sich hervorragend für den Einsatz auf dem Herdfeuer und zum Kochen. Die Lahrer Ware findet sich in römischen Siedlungen am gesamten südlichen Oberrhein von Baden-Baden bis in die Nordwestschweiz und vom Elsass bis zum Raum um Rottweil östlich des Schwarzwalds.

Zahlen zum Projekt
Im Laufe des Projektes wurden an 14 Wochenenden rund 27 Eimer Stroh, 1400 Kilogramm Lehm und etwa 71 Kilogramm original römische Ziegelfragmente unterschiedlicher Größe verbaut. Es waren an einem durchschnittlichen Arbeitstag durchschnittlich vier bis fünf Studenten, drei Ehrenamtliche sowie zwei Projektleiter im Einsatz

Planungsphase des Töpferofenbaus
Mit den ersten Vorüberlegungen wurde bereits im Winter 2018 begonnen. Zahlreiche Fragen waren zu klären: Welche Infrastruktur wird vor Ort benötigt? Welche Formalitäten müssen eingehalten und welche Bestimmungen umgesetzt werden? Wie lange wird das Projekt dauern? Wie viele Termine sind sinnvoll? Was wird es kosten? Wer organisiert das Material? Welche Lagerflächen gibt es oder wo soll der Ofen stehen? Wie kann das Programm des Stadtmuseum damit ergänzt werden? Und vieles mehr. 
Den Auftakt machte im Mai 2019 die Lehrveranstaltung Archäologie im Experiment in Freiburg, die von Prof. Dr. Heising und Bérénice Jayme zum Thema „Bau eines römischen Töpferofens“ durchgeführt wurde. Die Studenten sowie die Ehrenamtlichen des Arbeitskreises „Gallo-Römisches Leben Lahr-Dinglingen“ beschäftigten sich mit der Geschichte des Vicus Lahr-Dinglingen als Töpferei Standort, der dort hergestellten Keramik und den während den Ausgrabungen im Areal gefundenen Töpferöfen. 

Bau des Ofens
Im Juni 2019 begannen die praktischen Arbeiten im archäobotanischen Garten des Gallo-Römischen Streifenhauses in Lahr.  Nach der feierlichen Grundsteinlegung mit drei römischen Ziegelsteinen zur Stabilisierung der Ofensohle durch die drei Projektleiter, konnte der Ofen Stück für Stück hochgezogen werden. An den Ofenbau-Samstagen und Sonntagen wurden jeweils Schichten von 15 – 20 Zentimeter Lehm aufgebracht. Stabilisierung des Lehms wurde im unteren Teil durch das Beimengen original römischer Ziegelbruchstücke und im oberen Teil durch mit Stroh verstärkten Lehm erreicht. 

Schwierigkeiten beim Bau
Für fast alle Beteiligten war der Töpferofenbau Neuland und dementsprechend mussten zunächst Erfahrungen mit dem ungewohnten Baumaterial gesammelt werden, um sein Trocknungsverhalten und sein Verhalten bei hoher Ofentemperatur einschätzen zu können. Durch die geringe Auftragshöhe des feuchten Lehms waren einige weitere Bautage erforderlich. Die sehr trockene Witterung erforderte eine regelmäßige zum Teil tägliche Kontrolle des abgedeckten Ofens, die zuverlässig von ansässigen ehrenamtlichen Mitgliedern des Arbeitskreises „Gallo-Römisches Leben Lahr-Dinglingen“ übernommen wurde.