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06.08.2021 - Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Umsiedlung des Dorfes Langenwinkel – Geschichte eines außergewöhnlichen Umzugs

Das Bild zeigt die evangelische Kirche in Langenwinkel. Rechts steht ein viereckiger hellgrauer Turm mit Uhr und einem schwarzen rechtsschrägen Dach. Links ist das Gebäude mit linksschrägem Dach zu erkennen.
Die neue Kirche im neuen Langenwinkel
Im Oktober jährt sich der Umzug Langenwinkels zum 50. Mal. Mit großen Feierlichkeiten wird am 2. und 3. Oktober an dieses ungewöhnliche und prägende Kapitel des Dorfes gedacht.

Geplant sind ein Festumzug, ein Dorffest, Theaterszenen, eine Glockenweihe und eine Uraufführung einer Komposition für Gesangsquartett, E-Gitarre, E-Geige, Synthesizer, Percussion und Flugzeug.

 

Hinter diesem Jubiläum steckt die außergewöhnliche Geschichte eines Dorfes, die von der lokalen zur Weltgeschichte reicht.

Eigentlich dürfte es Langenwinkel heute nicht mehr geben. Das Dorf musste dem Lahrer Flugplatz komplett weichen und wurde an der heutigen Stelle neu aufgebaut. Geblieben sind von Alt-Langenwinkel lediglich der Friedhof und das alte Schulgebäude.

Geschichte:

Die in Lahr stationierten französischen Truppen begannen in der Regie der NATO ab 1951 die massive Erweiterung der Lahrer Flugplatzanlage. Es wurde eine neue Startbahn gebaut, und das alte Langenwinkel lag direkt in der Einflugschneise. Nach einer Verlängerung der Startbahn war diese nur noch 400 Meter von der Ortschaft entfernt. Der rege Übungsbetrieb mit Jagdmaschinen führte zu einer unbeschreiblichen Lärmbelästigung und barg ständig die Gefahr eines Flugunglücks direkt über dem Dorf. 1957 waren häufig bis zu zehn Düsenjäger zugleich in der Luft, Starts und Landungen gingen in geringer Höhe über die Dächer der Dorfbewohner hinweg. Die Anwohner litten besonders unter dem Lärm der Flugzeuge, teils mit erheblichen gesundheitlichen Folgen. An das Bestellen der Felder mit Zugtieren und an Kleinviehhaltung war überhaupt nicht mehr zu denken. 1963 stimmte nach langen und zähen Diskussionen eine große Mehrheit der Bewohnerinnen und Bewohner Langenwinkels für eine geschlossene Umsiedlung ihres Dorfes. Gemeinsam wollten sie sich ein neues Dorf und eine neue Zukunft aufbauen. Während die Bewohner von Dörfern, die der Braunkohle weichen mussten, sich häufig in alle Winde zerstreuten, blieb ein großer Teil der Langenwinkler zusammen. Und sie hatten sich zuvor selbst für die Umsiedelung entschieden. Im neuen Dorf kamen rasch neue Mitbewohnerinnen und Mitbewohner, zunächst vor allem kanadische Soldaten mit ihren Familien, hinzu.

Die Geschichte Langenwinkels in den zwei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg ist geprägt von Aufbauwillen und Aufbruchsgeist, aber auch von Enttäuschungen und Widerständen. Voller Elan gingen die Menschen an die Modernisierung des Ortes: Wasserversorgung, Straßenbeleuchtung und sogar eine Ortsrufanlage waren Neuerungen der frühen 1950er Jahre, die selbst größere Gemeinden in der Umgebung zu diesem Zeitpunkt nicht vorweisen konnten. 1955 bekam das Dorf nach 150 Jahren endlich eine eigene Kirche, wegen des zunehmenden Flugbetriebs jedoch ohne Turm. 1959 wurde ein neues Schulhaus errichtet, neue Baugelände waren ausgewiesen, die Bebauung dieser Gebiete blieb jedoch eine Illusion. Stattdessen erfolgte nach langen bürokratischen Ringen der Umzug des Dorfes. Noch bevor die ersten Häuser des neuen Dorfes bezogen werden konnten, wurden die französischen Luftwaffeeinheiten aus Deutschland abgezogen, den Flughafen in Lahr übernahm ein kanadisches Starfighter-Geschwader. Kurze Zeit später wurde auch dieses durch eine Panzerbrigade ersetzt, was zu einer Reduzierung, allerdings nicht zur vollständigen Aufgabe, des Flugbetriebs führte.