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14.01.2022 - Gespräch mit Regisseur Tom Wilmersdörffer Künstlerisch mit brennenden Themen auseinandersetzen

Regisseur Tom Wilmersdörffer lehnt an einer Wand mit gehauenen Steinen. Er ist ganz in dunkelbau gekleidet und trägt eine rote Brille.
Quelle: Max Ott
Der HIDALGO Box-Salon gastiert am Mittwoch, 19. Januar 2021, 20 Uhr, in der Lahrer Mehrzweckhalle im Bürgerpark. Das Musiktheater verbindet Lieder mit Boxkampf und ist Teil der Reihe KammermusikPlus.

Regisseur Tom Wilmersdörffer, geboren 1990 in München, freut sich auf das Gastspiel in Lahr, das sich für ihn ein bisschen wie ein Heimspiel anfühlt, hat er doch einige Jahre in Freiburg studiert. Er sucht als Regisseur und Konzertdesigner nach neuen Bühnenformen und arbeitet spartenübergreifend zwischen Musik, Theater, Lyrik, digitaler und bildender Kunst. Der studierte Konzert- und Opernsänger initiierte 2016 das HIDALGO Festival für junge Klassik, das er als Intendant leitet. Er ist Stipendiat für Kunst und neue Medien der Landeshauptstadt München, Stipendiat der BW-Stiftung, wird gefördert durch den Fonds Darstellende Künste und ist Concerto21-Akademist der Töpfer-Stiftung.

Die Programme von HIDALDO sind Inspiration und Denkanstoß für die Lahrer KammermusikPlus-Reihe.

Herr Wilmersdörffer, von Schubert-Liedern als RaumKlang-Installation in einem Münchner Pop-up-Hotel bis hin zur Kombination von düsterer Musik Schostakowitschs mit Statements von aktuellen Umweltaktivisten – der Ideenreichtum von Hidalgo ist gewaltig. Was waren Ihre persönlichen Highlights in der fünfjährigen Geschichte des Festivals?

Tom Wilmersdörffer: Tatsächlich gab es bei den bisher vier Festivalausgaben eine wahnsinnige Varianz an Formaten. Letztes Jahr inszenierten wir zum Thema „Scheitern“ in unserem „Box-Salon“ Lieder von John Dowland und Kurt Weill als Geschichte einer Boxerin, die den Kampf ihres Lebens verloren hat und sich durch die fünf Trauerphasen zurück ins Leben kämpft. In der Mitte der Inszenierung gab es einen echten Boxkampf. Dieses Konzept ging wahnsinnig gut auf. Die Produktion wird nun auch in Lahr mit Boxern der Boxstaffel Blau-Weiß mit den Boxern Adrian Bratnowski und David Lehmann und dem Ringrichter Reinhard Bolz und beim Mozartfest Augsburg gastieren. Dieses Jahr lag mir die Produktion „Rape & Culture“ sehr am Herzen, ein Musiktheater über eine Sängerin, die von ihrem Mentor vergewaltigt wird. Wir wollen nicht nur „L’art pour l’art“ machen, sondern uns künstlerisch mit brennenden Themen auseinandersetzen.

Ein Liederabend ist vielleicht das simpelste funktionsfähige Kulturformat. Braucht es da „Geschmacksverstärker“ durch weitere Darstellungsebenen? Läuft man da nicht Gefahr einer Eventisierung?

Genauso könnte man fragen, ob ein Gedicht den „Geschmacksverstärker“ der Musik braucht. Das Lied lädt zu einer Öffnung ein, weil es schon in sich eine zusammengesetzte Form aus Text- und musikalischer Ebene ist. Es geht nicht um Event, es geht um Erleben! Idealerweise schaffen wir künstlerische Erlebnisse, die uns sowohl emotional als auch intellektuell tief berühren. Der traditionelle Liederabend hat seine Berechtigung und ist ein wertvolles Stück Kulturgut. Aber – und das macht zeitgenössische Kunst aus – müssen wir immer wieder neue Antworten finden, neue Wege und Blickwinkel, um alte, aber ewige Geschichten und Gefühle zu erzählen. Unsere Mission ist zu fragen: Was ist das Kunstlied des 21. Jahrhunderts? Und da denken wir in zusammengesetzten Formen: Lyrik, Musik und was noch? Wir leben nun mal in einem visuellen Zeitalter.

Wie kam es zur Gründung von Hidalgo?

Vor fünf Jahren saß ich in einem klassischen Konzert im Brunnenhof der Münchner Residenz. Es war schön, aber es legte einen Schalter in mir um. In München gibt es mit der Bayerischen Staatsoper, der Philharmonie im Gasteig etc. sehr viel Hochkultur, aber wenig Lied! Und auf der anderen Seite die immer weiter wachsende junge Szene. Das Bindeglied zwischen diesen Welten fehlte. Und mir war klar: Da muss man was machen. „Alles ist erlaubt, was sich zu etwas Größerem zusammenfügt“, ist Ihr Credo. Gibt es auch eine Grenze, die nicht überschritten werden darf?

Alles muss einen künstlerischen Mehrwert haben. Und die musikalische Qualität steht ganz oben. Wenn diese leidet, wäre das für mich eine nicht diskutable Grenzüberschreitung.

Bei Veranstaltungen gelten die aktuellen Coronaregeln. In der momentanen Alarmstufe II sind das die sogenannten 2G+ – nachweislich genesen oder geimpft mit einem zusätzlichen negativen Schnelltest (nicht älter als 24 Stunden) oder negativem PCR-Test (nicht älter als 48 Stunden). Die Testpflicht entfällt für „Geboosterte“, für Geimpfte mit abgeschlossener Grundimmunisierung, wenn seit der letzten erforderlichen Einzelimpfung nicht mehr als drei Monate vergangen sind, sowie für Genesene, deren Infektion nachweislich nicht länger als drei Monate zurückliegt. Es besteht die Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske.

Die pandemische Lage ist dynamisch, die Regeln können sich kurzfristig ändern. Die Besucher werden gebeten, sich am Veranstaltungstag über die aktuell gültigen Regeln zu informieren.

Tickets und Infos gibt es im KulTourBüro Lahr (Kaiserstr. 1, 77933 Lahr), per Email (kultour@lahr.de), Telefon (07821 / 950210) und auf der Website https://kultur.lahr.de.