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29.08.2013 - Was macht eigentlich … Ingrid Roll, Beauftragte für Chancengleichheit der Stadt Lahr

“Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“, so steht es in Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz, soweit die Theorie. Dass dies auch in der Praxis umgesetzt wird, dafür ist Ingrid Roll zuständig. Sie ist Beauftragte für Chancengleichheit bei der Stadt Lahr. Dass das Thema in der Praxis schwieriger ist als in der Theorie, zeigt schon die Änderung der Berufsbezeichnung dieser Stelle: von der "Frauenbeauftragten" über die "Gleichstellungsbeauftragte" bis hin zur neuen "Beauftragten für Chancengleichheit". Anfangs kümmerte sich die Frauenbeauftragte darum, dass Frauen nicht benachteiligt wurden und förderte sie in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. Ingrid Roll kümmerte sich als Gleichstellungsbeauftrage darum, dass Männer und Frauen in den jeweils benachteiligten Lebensbereichen gleiche Chancen hatten. Heute als Beauftragte für Chancengleichheit hat sich ihr Aufgabenspektrum nochmals um den Arbeitskreis für die Belange von Menschen mit Behinderung erweitert.

Sie selbst sagt: „Chancengleichheit von Frauen und Männern ist eine umfassende und komplexe Querschnittsaufgabe durch alle gesellschaftlichen Themenfelder.“ Und so teilen sich die Aufgabengebiete von Ingrid Roll auch in externe und interne Aufgaben, also Aufgaben die innerhalb der Verwaltung wirksam sind und solche, die nach außen hin auf Bürgerinnen und Bürger wirken. „Intern bin ich eingebunden in die Stellenbesetzungen, die Männer und Frauen betreffen. Ich nehme an Sitzungen und Besprechungen teil und achte darauf, dass es keine geschlechterbezogene Benachteiligung gibt.“ Außerdem sorgt sie dafür, dass die externen Erfahrungswerte aus Gesprächen und dem Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern bei der Gestaltung der kommunalen Angebote berücksichtigt werden, zum Beispiel beim Angebot eines Begegnungshauses oder bei - Öffnungszeiten und Angeboten in der Kinderbetreuung.

Für Kolleginnen und Kollegen ist Ingrid Roll Ansprechpartnerin, wenn es um die Vermittlung und um Lösungsansätze bei geschlechterbezogenen Konflikten geht oder um neue Ideen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie sensibilisiert die Mitarbeitenden der Stadtverwaltung bei der Formulierung von Briefen und Mitteilungen oder von Dienstanweisungen in geschlechtergerechter Sprache. Außerdem gehört es zu ihren Aufgaben, die Veränderung der Stereotypen in der Rollenzuschreibung von Männern und Frauen bei Teilzeit, Aufstiegschancen und Leistungsbewertung voranzubringen.

„Gleichstellungarbeit für Bürgerinnen und Bürger sichtbar zu machen, ist ein schwieriges Unterfangen. Strukturelle Veränderungen sind kaum greifbar oder gegenständlich wie die Parkbank des Seniorenbeirates oder die Putzaktion des Jugendgemeinderates“, sagt Ingrid Roll. Dennoch gibt es Beispiele, die durchaus greifbar sind wie beispielsweise die Hilfestellung für Frauen beim Gespräch im Gleichstellungbüro zu Trennung, Unterhalt, Sorgerecht, Suchtproblemen und häuslicher Gewalt. „Hier geht es in der Regel darum, herauszufinden welche Beratung und welche Anlaufstelle für die betroffene Frau die richtige ist“, erklärt Roll. Doch auch Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen sind gefragt, denn meistens sind die Frauen durch die belastende Situation emotional sehr betroffen.

Erlebbar wird die Arbeit der Beauftragten für Chancengleichheit aber vor allem durch die Besinnung auf die Stärken der Frauen bei Veranstaltungen wie den „Lahrer Frauenwelten“ zum Internationalen Frauentag und bei den Frauenwirtschaftstagen in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen im Ortenaukreis. Auch das Lahrer Frauennetzwerk ist ein gelebtes Beispiel für Ingrid Rolls Arbeit. Dort treffen sich Frauen aus unterschiedlichen Lebensbereichen zum Austausch über Themen aus Politik, Finanzen, Gesundheit, Kunst und Literatur. Durch neue Kontakte und das Kennenlernen unterschiedlicher Veranstaltungsorte erleben Frauen mit und ohne Migrationshintergund, junge und alte Frauen, Hausfrauen und Berufstätige, Alleinerziehende und Familien ihre Stadt neu.

„Zu meinen Aufgaben gehört es auch, dass ich mich bei kreisweiten Netzwerken und Arbeitskreisen einbringe, wie bei den ‚Frühen Hilfen‘ oder in der engen Zusammenarbeit mit dem Frauenhaus Offenburg“, erklärt Ingrid Roll. Daneben betreibt sie Aufklärungsarbeit zur Situation von Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund, zur Zwangsheirat und Frauenhandel und den eingeschränkten Berufswahlmöglichkeiten von Mädchen. Auch Initiativen zur Berufswahl von Mädchen und Jungen wie Girls´Day und Boy´s Day werden von ihr begleitet. „Im Projekt ‚Unsere Stadt braucht Frauen‘ haben wir in Lahr Frauen bei den letzten Kommunalwahlen ermutigt, sich für politische Ämter zur Verfügung zu stellen. Der baden-württembergische Landtag hat 138 Mitglieder, davon sind gerade mal 25 Frauen“, sagt sie und zeigt damit deutlich, dass sie noch viel Arbeit vor sich hat.