Blume Pflanze auf Sandstein Mauer

Auf den Spuren von Storch, Mensch und Zimbelkraut Der Lahrpfad

Natur gibt es nicht nur in der freien Landschaft, sondern auch direkt vor unserer Haustür in Lahr, man muss sie nur entdecken. Mit dem "Lahrpfad" hat die ehemalige Lokale Agenda 21-Gruppe Stadtökologie Menschen für die Natur in Lahr begeistert und ihnen die Augen für die ökologischen Besonderheiten geöffnet, die der Lebensraum Stadt bietet.

Der Lahrpfad (bebilderte Broschüre zum Herunterladen, Stand 01/2012) möchte an sechs ausgewählten Punkten der Stadt Lahr die ökologischen Werte sowie deren Bedeutung für Bürger und Besucher der Stadt aufzeigen. Unsere Städte sind nicht überall nur lebensfeindliche versiegelte Räume, sondern bieten Tieren und Pflanzen vielerlei Biotope, mannigfaltige Ernährungsmöglichkeiten und oft wirksamen Schutz vor Feinden. Und das natürliche Leben in der Stadt macht sie auch für den Menschen lebenswerter.

Ausgangssituation

Im Bereich des heutigen Arena-Einkaufszentrums befand sich noch in den 90er Jahren ein vernachlässigtes Frachtgelände. Die Schutter war hier auf 50 Meter Länge verdolt und mit Gleisen überdeckt. Die angrenzenden Schutterabschnitte waren durch Uferverbau geprägt.

Die Stadt Lahr beschloss, das Areal städtebaulich zu entwickeln. Für die Schutter und ihr unmittelbares Umfeld wurden drei Ziele festgesetzt:

  1. Schaffung eines ansprechenden Ortseingangs,
  2. ökologische Aufwertung des Flussabschnitts und 
  3. das Gewässer für Besucher erlebbar machen.

 

Anfängliche Umbaumaßnahmen und nachfolgende natürliche Entwicklung

Zur Umsetzung der genannten Ziele erfolgte eine Offenlegung des überdeckelten Flussabschnitts, eine Bachbettaufweitung mit einer naturnahen Uferabflachung links und einem gestalteten, zugänglichen Ufer rechts. Der Gewässergrund war bereits naturnah und wurde belassen. Durch die Gestaltungsmaßnahmen wurde kein ökologisch „fertiger“ Flussabschnitt hergestellt. Die Maßnahmen waren eher als Anstoß für eine  eigendynamische Entwicklung zu verstehen. Zu dieser Eigenentwicklung gehören:

  • Umgestaltung der Bachsohle bei jedem Hoch­wasserereignis
  • Besiedlung mit Tieren und Pflanzen

 

Gewässerumgestaltung  bei Hochwasser

Mit jedem Hochwasser vollzieht sich unmerklich eine natürliche Umgestaltung. Die wechselnde Schleppkraft des fließenden Wassers verursacht in Teilbereichen mit hoher Strömung den Abtransport von Bodenmaterial (Erosion). An ruhiger fließenden Stellen wird dagegen mitgeschlepptes Sohlmaterial abgelagert. So gibt der Durchmesser der größten Steine im Flussbett einen recht genauen Hinweis auf die Fließgeschwindigkeit, die hier bei Hochwasserabflüssen erreicht wird.

 

Besiedlung durch Tiere

Auch an solch dynamischen Standorten können Tiere existieren wie z.B. Köcherfliegenlarven. Sie kriechen auf den abgelagerten Steinen umher, wobei sie sich durch Ausscheidung von Schutzfasern und mittels Fußkrallen gegen die Strömung behaupten. Zur Verpuppung klebt sich die ausgewachsene Larve aus feinen Steinchen einen Köcher zusammen, in dem sie sich unter Wasser verpuppt. Die flugfähigen erwachsenen Tiere leben im Gewässerumfeld. Die Köcherfliege zeigt beispielhaft den Lebensraumverbund zwischen Land und Wasser.

 

Besiedlung durch Pflanzen

Nach Fertigstellung der Rohbaumaßnahme war das linksseitige Flachufer weitgehend vegetationslos. Eine Begrünung war nicht geplant und wurde auch nicht durchgeführt.

In den vier Nachfolgejahren setzte eine rasante Vegetationsentwicklung ein. Im Jahr 2003 wurden im Uferbereich von der Lokalen Agenda 21-Gruppe Stadtökologie bereits 59 verschiedene Pflanzenarten nachgewiesen. Mit dem durch das Wasser herantransportierten Samen hatten sich diese Arten selbst angesiedelt. Das Artenspektrum umfasste Arten der Wiesen, Nasswiesen, Röhrichte, Hochstaudenfluren und Wälder.

Unter den 59 Pflanzenarten befindet sich auch das „Indische Springkraut“ und die „Kanadische Goldrute“. Diese zwei, nicht heimischen, aber konkurrenzstarken Pflanzen, können durch Ausbildung von Massenbeständen die heimischen Arten verdrängen.

 

Weitere Vegetationsentwicklung

Wahrscheinlich erfolgt die Verdrängung der bisher angesiedelten heimischen Pflanzenarten aber durch einen ganz anderen, natürlichen Prozess, durch die Bewaldung. Mit der Spontanbesiedlung von Kräutern und Gräsern hat die Vegetationsentwicklung nämlich nur eine erste Phase absolviert.

Die nächste Phase der natürlichen Entwicklung wird die Bewaldung sein. Mit dem zunehmenden Kronenschluss der aufgekommenen Baumweiden wird der erste Abschnitt der Waldentwicklung bereits deutlich sichtbar. Entsprechend dem aktuellen vegetationskundlichen Kenntnisstand ist damit zu rechnen, dass die Baumweiden durch längerlebige Baumarten wie Esche, Traubenkirsche, Schwarzerle und Eiche abgelöst werden. Dieser Prozess kann jedoch Jahrzehnte in Anspruch nehmen.

Auf dem Parkplatz vor dem Gebäude des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) gedeihen Pflanzenarten, die sich dort erstaunlich gut den harten Lebensbedingungen angepasst haben: Befahren, Tritt, starke Bodenverdichtung, geringes Boden- und Wasserangebot, Eintrag von Schadstoffen. Sie sind meist niederwüchsig, haben eine kurze Entwicklungsdauer bis zur Samenreife und können sich aus einer zentralen Basis gut erneuern: zum Beispiel Wegerich, Löwenzahn und andere Rosettenpflanzen. Auch einige Kriechpflanzen kommen vor. Auf dem Parkplatz des MDK wurden mehr Pflanzenarten gezählt als im angrenzenden Rasen.

 

Flächenversiegelung – ein großes Problem!

Die Pflanzen treten jedoch nur dort auf, wo der Boden zwar genutzt, aber nicht ganz versiegelt ist. In Deutschland wurden 2003 täglich etwa 120 Hektar Freifläche für Siedlungszwecke in Anspruch genommen, davon in Baden-Württemberg etwa neun Hektar. Der nicht versiegelte (nicht überbaute) gewachsene Boden erfüllt jedoch viele wichtige Funktionen:

  • Er ist Lebensraum für viele Kleinorganismen (und diese sind wiederum Nahrung für andere Tiere).
  • Er ist Grundstofffür das Wachstum der Pflanzen und versorgt diese mit Wasser, Nährstoffen und Sauerstoff. Das Pflanzenwachstum ist wiederum Grundstoff für unsere Ernährung.
  • Er reguliert den Wasserhaushalt, indem er Wasser speichert und ins Grundwasser versickern lässt.
  • Er fängt Schadstoffe ab und hält sie fest. Damit vermindert er beträchtlich deren Konzentration in Nahrungspflanzen und im Trinkwasser.

 

Auf versiegelten Flächen jedoch wird der Regen rasch in die Kanalisation und die Flüsse abgeleitet, anstatt im Boden gespeichert zu werden. Das führt zu häufigeren Hochwasserereignissen an unseren Flüssen, auf der anderen Seite aber auch zum Trockenfallen kleinerer Bäche und Flüsse, da kein Grundwasser mehr gebildet werden kann.

 

Kompromisse sind möglich!

Es gibt im öffentlichen und im privaten Bereich einige Möglichkeiten, die Versiegelung aufgrund von Asphalt und Pflaster zu vermeiden. Der Parkplatz des MDK zeigt, wie mit Rasengittersteinen eine geringere Versiegelung als bei den gegenüberliegenden Asphaltflächen erzielt werden kann.

Ideal ist es, wenn ganz auf eine Versiegelung verzichtet und der gewachsene Boden erhalten werden kann. Hier gilt es beispielsweise bei Bauvorhaben zu prüfen

  • wie breit die belastete Fläche tatsächlich sein muss und welche Befestigung notwendig ist,
  • ob für Zufahrten oder Parkplätze nicht nur die Befestigung zweier Fahrstreifen ausreicht;
  • ob an manchen Stellen des Grundstücks nicht wieder ein Stück versiegelten Bodens freigelegt und bepflanzt werden kann;
  • ob nicht spontan angesiedelte Pflastervegetation belassen werden kann.

 

In Neubaugebieten wird durch Bauvorschriften auf eine möglichst geringe Flächenversiegelung geachtet. Teilweise werden auch als alternative Maßnahmen die Benutzung von Regenwasserzisternen oder die Anlage von Dachbegrünungen gefordert. Dies sind gute Möglichkeiten, um vor allem die Hochwasserproblematik zu entschärfen.

Der Werderpark war Teil eines großen Parks rund um das heutige Rathaus, die ehemalige Villa der Familie Lotzbeck. Durch den Bau der Bundesstraße 415, Mitte der 70er Jahre, wurde der Park in zwei Teile getrennt. Den südlichen Teil nannte man „Werderpark“.

 

Grünflächen in der Stadt –  unverzichtbar!

Grünflächen und Bäume haben gerade in der Stadt eine große Bedeutung. Am Beispiel des Werderparks können wir erkennen, welche Faktoren für Besucher wichtig sind:       

  • stadtnahe Lage,
  • Zugänglichkeit (durch B 415 eingeschränkt),
  • ausreichende Größe, guter Pflegezustand,
  • Vielfältigkeit des Bewuchses und der Gestaltung,
  • Übersichtlichkeit, Helligkeit,
  • der Nachteil von Störungen, wie sie hier leider durch den Verkehrslärm von der
    B 415 gegeben sind

 

Dieser Verkehrslärm lässt den Werderpark weniger zur ruhigen Erholung und Entspannung geeignet erscheinen, sondern eher für aktive Betätigung, wie Sport und Kinderspiel. Trotzdem hat er auch eine wichtige Bedeutung für die Wohnqualität in der Innenstadt, zum Beispiel für Mütter mit Kindern und für Senioren oder zum Aufenthalt in der Mittagspause. Der Park und seine Bäume prägen auch das Stadtbild.

Auch aus Sicht der Ökologie sind Grünflächen und Bäume in der Stadt heute wichtiger denn je. Ihre ökologische Wirkung erstreckt sich auf:

 

Klima und Luft

Versiegelte Flächen heizen sich in der Sonne viel stärker auf als begrünte Flächen. Asphalt kann beipielsweise im Sommer bis zu 60 Grad erreichen. Wird der Asphalt durch Bäume beschattet, bleibt es in der Stadt kühler. Weiterhin filtern Bäume Schadstoffe und Staubteilchen aus der Luft, verdunsten Wasser, befeuchten und kühlen somit zusätzlich die Luft.

Eine 25 Meter hohe Buche hat etwa 1 600 Quadratmeter Blatt­fläche und kann 500 Liter Wasser am Tag ver­dunsten. Da­durch erhöht sich die relative Luftfeuchtigkeit von 100 000 Kubikmeter Luft auf das Doppelte (von 30 auf 60 Prozent). Derselbe Baum produziert etwa 7 000 Liter Sauerstoff pro Tag und kann damit 50 Menschen versorgen.

 

Lärm

Das Laubwerk der Bäume dämpft den Stadtlärm, was sich während der Vegetationsperiode auch im Werderpark bemerkbar  macht.

 

Pflanzen- und Tierwelt

Vor allem einheimische und alte Bäume bieten Tieren Nahrungsmöglichkeiten und  Lebensraum. Von exotischen Zierpflanzen können sich dagegen nur wenige Tiere ernähren, da sie nicht daran angepasst sind. So leben zum Beispiel von einer heimischen Stieleiche über 200 Insekten- und 28 Vogelarten, während von einer Rosskastanie nur vier Insekten- und zwei Vogelarten leben und von einem Essigbaum keine einzige Art leben kann. Im Werderpark wurde eine Mischung aus heimischen und exotischen Bäumen und Gehölzen gepflanzt. Der Rasen wird häufig gemäht, so dass nur unempfindliche, trittresistente und häufige Gras- und Krautarten überleben können.

Welche Verbesserungsmöglichkeiten gibt es im Werderpark, und wie können wir selbst unsere Gärten ökologisch sinnvoller gestalten?

  • Je seltener gemäht, je weniger gedüngt und gespritzt wird, desto größer wird die Vielfalt an Pflanzen und Tieren.
  • In Randbereichen der Rasenfläche stört es nicht, wenn Gras und Kräuter etwas höher wachsen. Auf Dünger und Pflanzenschutzmittel sollte ganz verzichtet werden.
  • Statt exotischer Gehölze sollten mehr einheimische Bäume und Sträucher gepflanzt werden.
  • Unterschiedlich stark besonnte oder beschattete Bereiche nützen nicht nur der Artenvielfalt, sondern erhöhen auch die Aufenthaltsqualität für die Besucher.
  • Durch Trockenmauern, Steinhaufen, Reisighaufen, offene Bodenstellen, feuchte Bodensenken usw. lassen sich vielfältige Lebensraumstrukturen und Unterschlupfmöglichkeiten für verschiedene Tiere schaffen.
  • In hohen Bäumen können Vogelnistkästen aufgehängt werden.
  • Ein naturnahes Gewässer ist immer ein besonderer Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Im Werderpark besteht das langfristige Ziel, die Schutter naturnah umzugestalten und die Ufer abzuflachen. So könnte auch ein besserer Zugang zum Gewässer für die Besucher geschaffen werden.

Ausgangssituation

Das Umfeld des Schutterabschnitts an der Schützenstraße stellt einen der frühen Siedlungskerne von Lahr dar. Hier unterlag der Fluss schon früh einer doppelten Belastung, nämlich der Verbauung und der Einleitung von Abwässern.

Mit der baulichen Entwicklung gingen zunächst die bei Hochwasser überschwemmten Auenstreifen beidseits des Flusses verloren. Später sollten auch die Uferbereiche noch genutzt werden, so dass die Uferböschungen zu betonierten Steilwänden umgebaut wurden. Damit entfielen jegliche Pufferstreifen gegen schädliche Stoffeinträge. Letztlich wurden beim Ausbau der Bundesstraße 415 (Tiergartenstraße) mittels überkragender Betonteile auch noch Teilflächen über dem Fluss in Anspruch genommen.

Für die Anwohner und auch für die Anlieger im oberhalb gelegenen Schuttertal diente der Fluss als Abwasserkanal. Neben dem häuslichen und dem landwirtschaftlichen Schmutzwasser wurden auch die giftigen Abwässer von zwei ehemaligen Gerbereien eingeleitet. Dies waren die Gerbereien „Hintere Wäldins“ (nahe der Herzklinik) und „Vordere Wäldins“  (Altfelixstraße). Dementsprechend waren die Wasserverhältnisse extrem belastet und lebensfeindlich.

 

Veränderung der Gewässergüte

Mit der Schließung der Gerbereien, insbesondere aber durch Einführung der zentralen Abwasserentsorgung, hat sich die Wassergüte grundlegend geändert. Heute gilt dieser Schutterabschnitt nachweislich als nur gering bis mäßig belastet. Mit der Verbesserung der Wassergüte kehrten auch die typischen Bewohner der Fließgewässer zurück.

Zunächst siedelten sich wieder die Kleinlebewesen des Gewässergrundes an, wie beispielsweise Steinfliegen-, Köcherfliegen- und Libellenlarven. Die Larven dieser Artengruppen gelten als sogenannte „Bioindikatoren“. Da diese Arten bei schlechter Wasserqualität recht bald verschwinden, lässt ihr dauerhaftes Vorkommen an diesem Gewässerabschnitt auf eine beständig hohe Wasserqualität schließen. Eine Untersuchung des NABU Lahr zeigte 2004 das Vorkommen der Kleinen Zangenlibelle sowie der Gebänderten und der Blauflügligen Prachtlibelle.

Diese Arten (zwei davon sind Rote-Liste-Arten) sind auf wenig belastetes Wasser angewiesen. Sie leben als Larven zum Teil mehrere Jahre im Gewässer, bevor sie als ausgewachsene Tiere flugfähig werden. Den Kleinlebewesen des Fließgewässergrundes folgten dann die Beutegreifer  wie zum Beispiel die zwei Vogelarten Gebirgsstelze und Wasseramsel.

 

Naturnaher Umbau der Uferbereiche

Neben der Gewässersohle stellt die Wasserwechselzone (Uferbereich) den wichtigsten Lebensraum eines Fließgewässers dar. Diese Zone besteht aktuell aus schmalen Auflandungen, die von Betonsteilwänden begrenzt werden. Die höheren Uferbereiche sind vom Mittelwasserabfluss abgetrennt und werden nur gelegentlich bei Hochwasser überflutet. Die typische Tier- und Pflanzengemeinschaft der Uferzone kann sich hier nicht ausbilden.

Dafür müssten die Steilufer beseitigt und Flachufer entwickelt werden. Eine solche Umgestaltung würde nicht nur eine starke Biotopaufwertung bedeuten, sondern auch da, wo der Gewässerrand zugänglich ist, hochwertige Erlebnisbereiche für die innerstädtische Naherholung schaffen. Für solch eine erholungsorientierte Umgestaltung der  Schutter  in Form des „Blauen Bandes“ haben sich Gemeinderat und Verwaltung der Stadt Lahr bereits ausgesprochen. Die Umsetzung scheiterte bisher jedoch nicht nur an Finanzmitteln, sondern auch an der erforderlichen Flächenverfügbarkeit.

Das Problem der Finanzierung eines naturnahen Gewässerumbaus könnte über ein so genanntes Ökokonto gelöst werden. Dabei würde für bauliche Eingriffe in den Naturhaushalt andernorts der gesetzlich erforderliche ökologische Ausgleich hier an der Schutter erbracht. Die Flächenverfügbarkeit scheitert hingegen an der unzureichenden Bereitschaft privater Anlieger, einen gewässerangrenzenden Streifen zur Verfügung zu stellen.

 

Erste Maßnahmen

Da eine größere Umgestaltung zur Zeit nicht zu erwarten ist, hat die Lokale Agenda 21-Gruppe Stadtökologie im März 2005 zwei erste Aufwertungsmaßnahmen durchgeführt. Im Auflandungsbereich wurden Weidensträucher gepflanzt. Zum zweiten wurden unter den nächstgelegen Brücken (Schützenstraße, Werderstraße) Nistkästen für die Wasseramsel angebracht.

Umfangreichere Aufwertungsmaßnahmen können erst dann angegangen werden, wenn Gewässerrandstreifen zur Verfügung stehen. Hier sind die Anlieger gefordert, mit ihrer Bereitschaft die Vorraussetzungen zu erfüllen, um zumindest abschnittsweise das „Blaue Band“ in der Stadt Lahr Wirklichkeit werden zu lassen.

Das Bild zeigt den Storchenturm von oben.
Der Storchenturm

Das „geliebte Wahrzeichen Lahrs“ (E. Baader) mitten in der Innenstadt ist der Rest der um 1220 hier erbauten Wasserburg, Ursprung der Stadt Lahr. Seinen Namen erhielt der Turm zu Beginn des 20. Jahrhunderts, da auf ihm jährlich ein Storchenpaar brütete.

 

Die Störche

Die Störche in Lahr fanden Nahrung in Fülle in den westlich der Stadt gelegenen nassen und feuchten Wiesenflächen. Aber gerade die wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Siedlungs- und Gewerbegebieten sowie Straßen überbaut, die verbleibenden Bereiche wurden entwässert und zumeist in Maisäcker umgewandelt. Damit wurde den Störchen das Nahrungsangebot entzogen und seit 1962 brütete kein Storch mehr auf dem Storchenturm. Nicht nur hier, sondern in ganz Europa gab es seit den 60er Jahren immer weniger Störche. So brüteten in der Region 1974 nur noch 6,4 Prozent der Störche, die 1950 vorhanden waren.

Heute hat die Storchenzahl in Mitteleuropa wieder zugenommen, dank intensiver Einbürgerungsmaßnahmen in der Schweiz, dem Elsass und Baden- Württemberg. Aber auf dem Storchenturm wird sich wohl kein Storch mehr einstellen, da Nahrungsquellen in angemessener Entfernung fehlen.

 

Lebensräume, Tiere und Pflanzen in der Stadt

Die menschlichen Siedlungen ziehen viele Pflanzen- und Tierarten an, die sogenannten „Kulturfolger“. Unsere Städte bieten ihnen mannigfaltige ökologische Nischen, gewähren Nahrungsangebote im Überfluss und schützen vor Feinden.

Die Mauern des Storchenturms sind ganz spezielle Lebensräume mit kleineren Pflanzen, wie Mauerfarnen und Zimbelkraut. Solche Mauern, zumeist aus Buntsandstein, finden sich noch viele in Lahr.

Auch Tiere siedeln sich hier an, wie an vielen anderen Punkten unserer Städte. Am Storchenturm wurde neben dem Haussperling auch der Feldsperling beobachtet. Mauersegler und Mehlschwalbe ziehen im Sommer über dem Turm ihre Kreise. Käfer, Schmetterlinge und Eidechsen lieben die Wärme seiner Mauern.

Eine Vielzahl von innerstädtischen Flächen bieten Lebensraum für Tiere und Pflanzen: Parkanlagen, Friedhöfe und Gärten, Hauswände, Pflasterritzen, Gewässer, Hecken, Obstwiesen, Ödland und viele andere. Der Storchenturm ist nur ein Beispiel für sie. Er wird seinen Namen behalten, wenn auch die Namengeber dort nicht mehr wohnen werden.

Gerade in der dicht bebauten Innenstadt, wo scheinbar wenig Platz für eine aufwändige Bepflanzung ist, kann durch Fassadenbegrünung auf geringer Grundfläche ein „grüner Pelz“ für eine Mauer oder ein Gebäude und damit auch ein Lebensraum für Pflanze und Tier geschaffen werden.

 

Was bewirkt Fassadenbegrünung?

Es lohnt sich, über eine Begrünung am Haus nachzudenken, denn sie bietet sehr viele Vorteile:

  • Schutz der Fassade
  • Energieeinsparung
  • Verbesserung des Kleinklimas
  • Erhöhung der Aufenthaltsqualität
  • Verschönerung des Straßenbildes
  • Brutmöglichkeiten für Vögel
  • Lebensraum und Nahrung für Insekten

 

Begrünungsmöglichkeiten

Beispiele für Kletterpflanzen:

  1. Efeu - Immergrün: Halbschatten/Schatten, für Mauern bis 20 Meter, selbstkletternd, auch als Bodendecker
  2. Wilder Wein: rote Herbstfärbung, Sonne, für Mauern bis zehn Meter, raschwachsend, wichtige Vogelnahrung
  3. Blauregen (Glyzinie): violette Blüten, April bis Mai, Sonne, bis zehn Meter Höhe, raschwachsend, braucht vertikale Rankhilfe
  4. Kletterhortensien: weiße Blüten, Juni bis Juli, Halbschatten bis Schatten, bis acht Meter Höhe, selbstkletternd

 

Darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl anderer attraktiver Kletterpflanzen. Auch die Wahl von Kübelpflanzen bietet mit einjährigen und ausdauernden Arten eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Informieren Sie sich bei einem Gärtner, welche Lösung für Ihre Situation geeignet ist.

 

Kleinklimatische Bedeutung der Begrünung

Es lohnt sich, auch unter dem Aspekt der Verbesserung des Klimas im Wohn- und Arbeitsumfeld, über eine Begrünung am Haus nachzudenken.

  • das Blattwerk bindet erhebliche Mengen an Staub und Schadgasen,
  • Niederschlagswasser wird über die Blätterverdunstet und erzeugt so einen Abkühlungseffekt, ein sommerliches „Backofenklima“ wird auf diese Weise wirksam gemildert,
  • das Luftpolster zwischen Blattwerk und Gebäude schützt im Sommer vor extremer Hitze, im Winter (bei immergrünen Pflanzen) vor Kälte.

 

Das dichte Blattwerk einer flächenhaften Begrünung schützt das Mauerwerk vor Witterungseinflüssen, insbesondere vor Niederschlagseinwirkungen. Aufgrund der geringeren Unterschiede zwischen Tages- und Nachttemperatur entstehen nicht so leicht Risse. Die Lebensdauer intakter Wände lässt sich also durch die grüne Schutzschicht beträchtlich steigern.

 

Fassadenbegrünung und Lebensqualität

Inmitten der Stadt im Grünen zu wohnen, ist der Wunsch vieler Bürgerinnen und Bürger. Aber nicht der große Park im Herzen der City oder das Waldgebiet an deren Rand prägen hier das Gefühl von Lebensqualität. Dies wird vielmehr durch die Kreativität der Anwohner erreicht. So bietet die Begrünung von Fassaden (wie auch die Begrünung von Dächern und Innenhöfen) die Möglichkeit individueller Gestaltung im Wohnumfeld, der Schaffung von kleinen Naturoasen, entspannende Freizeitbeschäftigung und darüber auch die Begegnung mit dem Nachbarn. Viele die Begrünung aufsuchende Tierarten und die Veränderung der Bepflanzung in den Jahreszeiten machen Natur in der Innenstadt wieder hautnah erlebbar.

Nicht zuletzt der Entwicklungsrhythmus der Pflanzen und die Farbe „Grün“ als solche wirken harmonisierend und stressausgleichend auf den Menschen.

Die grüne Fassade: Mauern voller Leben

Grüne Wände bieten der Tierwelt einen Lebensraum. Von großer Bedeutung sind sie z. B. für unsere Singvögel, die im dichten Blattwerk gerne nisten und hier Nahrung suchen. Allein 23 Vogelarten ernähren sich beispielsweise von den Beeren des Wilden Weins. Auch zahlreiche nützliche Insekten wie Schwebfliege, Marienkäfer, Florfliege oder Ohrwurm finden in der grünen Wand Nahrung und Unterschlupf.

Die Raupen der Schmetterlinge Kleiner Fuchs und Tagpfauenauge ernähren sich neben Brennesselblättern auch vom Wilden Hopfen. Eine ausführliche Übersicht gibt die Tabelle “Fassadenpflanzen und ihre Bedeutung für Tiere“, die über die Lokale Agenda 21-Gruppe Stadtökologie zu beziehen ist.

 

Worauf müssen ist zu achten?

Mehr Mut zum grünen Pelz! Die Furcht vor einer Beschädigung hält immer noch manchen davon ab, Fassaden zu begrünen. Sofern das Mauerwerk intakt ist und die Begrünung fachgerecht ausgeführt wird, sind solche Befürchtungen jedoch unbegründet.

 

Hinweise zur Beachtung:

  • sicher gehen, dass der Fassadenputz keine Risse aufweist
  • selbstklimmer nicht an Fassadenverkleidungen, Holzwänden und kunststoffhaltigen Wandanstrichen vorsehen
  • regelmäßiger Rückschnitt erforderlich
  • Fenster, Rollladenkästen, Antennen, Blitzableiter, Dachrinnen und Dach freihalten
  • bei historischen Gebäuden den Denkmalschutz zu Rate ziehen
  • Genehmigung des Hauseigentümers einholen

 

Was jeder tun kann!

Ob Mieter oder Hausbesitzer – für Bürgerinnen und Bürger gibt es viele Möglichkeiten, zur Verbesserung der Grünsituation beizutragen:

  • am eigenen Haus Begrünung realisieren.
  • im Gespräch mit Nachbarn, Freunden und Verwandten Begrünungsmöglichkeiten von Fassaden und Dächern diskutieren und Projekte gemeinsam realisieren.
  • die Gemeinde- oder Stadtverwaltung auf Möglichkeiten der Begrünung öffentlicher Bauten und ihre Vorbildfunktion hinweisen
  • sich durch Scheinargumente und Desinteresse nicht entmutigen lassen

 

Das eigene Wohnumfeld durch mehr Grün zu verbessern, dazu sollen diese Informationen motivieren sowie einfache Umsetzungsmöglichkeiten veranschaulichen. Sie alle können mithelfen, triste Straßenzüge mit leblosen Hauswänden und Dächern durch Grüngestaltung zu beleben.